Der Name der Rose
durcheinanderzubringen?«
»Ja, sicher!« Severin war jetzt sehr aufgeregt. »Und jetzt fällt mir auch ein: Es kam mir damals recht sonderbar vor, daß der Sturm, wie heftig er auch gewesen sein mochte, ein so großes Durcheinander angerichtet hatte. Es sah wirklich ganz danach aus, als hätte sich jemand die Gelegenheit zunutze gemacht, um das Laboratorium völlig zu verwüsten …«
»Wer war jener Novize?«
»Er hieß Augustin. Aber er ist letztes Jahr gestorben – von einem Gerüst gestürzt, beim Reinigen der Skulpturen am Kirchenportal … Und außerdem, wenn ich's recht bedenke, hatte er damals Stein und Bein geschworen, daß er die Tür nicht offengelassen hätte vor dem Sturm. Ich war es, der ihn hinterher in meiner Wut dafür verantwortlich machte. Vielleicht war er wirklich unschuldig.«
»So gab es mithin einen Dritten, der über dein Gift Bescheid wußte und der womöglich sehr viel erfahrener war als ein Novize. Mit wem hattest du darüber gesprochen?«
»Das weiß ich wirklich nicht mehr. Zweifellos mit dem Abt, ich mußte ihn schließlich um Erlaubnis bitten, ein so gefährliches Zeug bei mir aufzubewahren. Sicher auch mit einigen anderen, vermutlich im Skriptorium, als ich nach Herbarien suchte, die mir Aufschluß über die Zusammensetzung geben könnten.«
»Sagtest du mir nicht neulich, daß du die wichtigsten kräuterkundlichen Werke im Hospital hast?«
»Gewiß, eine ganze Reihe sogar.« Severin deutete stolz in eine Ecke, wo mehrere Dutzend Folianten auf den Regalen standen. »Aber ich suchte damals gewisse Bücher, die ich nicht bei mir, haben durfte und die auch Malachias nicht ohne Sondererlaubnis des Abtes herzeigen wollte.« Er senkte die Stimme, als wollte er nicht, daß ich seine Worte verstand. »Weißt du, in einem verborgenen Winkel der Bibliothek werden nämlich auch Werke der Negromantik aufbewahrt, Schriften über Schwarze Magie und Teufelsrezepte. Einige dieser Werke durfte ich schließlich zu Zwecken der Wissenschaft konsultieren, und ich hoffte, womöglich eine Beschreibung des Giftes und seiner Wirkungen darin zu finden. Aber vergebens.«
»Demnach hattest du mit Malachias darüber gesprochen?«
»Natürlich, ja, und vielleicht auch mit Berengar, der damals bereits sein Gehilfe war. Aber bitte zieh daraus keine voreiligen Schlüsse, es waren gewiß auch andere Mönche in der Nähe, die es mitgehört haben könnten. Du weißt, das Skriptorium ist manchmal ganz schön voll …«
»Ich verdächtige niemanden. Ich versuche mir nur ein möglichst genaues Bild zu machen. In jedem Fall ist die Sache, wie du sagst, schon ein paar Jahre her, und da frage ich mich … Nun ja, findest du es nicht auch höchst merkwürdig, daß jemand so lange im voraus ein Gift entwendet haben sollte, um es erst jetzt zu benutzen? Das würde ja heißen, daß hier schon seit langer Zeit ein böser Wille im Dunkeln lauert und Mordpläne hegt …«
Severin bekreuzigte sich, in seinem Blick lag Entsetzen. »Gott sei uns allen gnädig!«
Mehr gab es in der Tat nicht zu sagen. Wir deckten die Leiche Berengars wieder zu. Sie mußte nun hergerichtet werden für die Begräbnisfeier.
PRIMA
Worin William zunächst Salvatore, dann auch den Cellerar dazu bringt, ihre Vergangenheit zu gestehen; außerdem findet Severin die gestohlenen Linsen, Nicolas bringt die neuen, und William geht bewehrt mit sechs Augen daran, das Manuskript des Venantius zu entziffern.
In der Tür begegneten wir Malachias. Er schien überrascht von unserer Anwesenheit im Hospital und machte Anstalten, wieder zu gehen. Severin sah ihn von innen und fragte: »Suchst du mich? Ist es wegen …« Er unterbrach sich mit einem raschen Blick zu uns. Malachias zwinkerte ihm verstohlen zu, als wollte er sagen: »Warte bis später …« Wir strebten hinaus, er strebte hinein, wir standen zu dritt auf der Schwelle.
»Ich suchte den Bruder Botanikus«, erklärte der Bibliothekar recht überflüssigerweise. »Ich … ich habe Kopfweh.«
»Das kommt gewiß von der stickigen Luft in der Bibliothek«, meinte William. »Ihr solltet Inhalationen machen.«
Malachias bewegte die Lippen, als wollte er noch etwas sagen, unterließ es aber, senkte den Kopf und trat ein, während wir hinausgingen.
»Was mag er bei Severin wollen?« fragte ich William, als wir allein waren.
»Adson«, wies mich mein Meister ungeduldig zurecht, »lerne endlich, mit deinem eigenen Kopf zu denken!« Dann wechselte er das Thema: »Wir müssen jetzt ein paar Mönche
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