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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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zu dir, Minoritenbruder Remigius, der du noch viel gefährlicher bist als ein tollwütiger Hund. Hätte dein Mitbruder William in diesen Tagen mehr auf das Geifern der Ketzer geachtet als auf das Geifern der Hunde, so hätte vielleicht auch er entdeckt, welche Schlange sich einzunisten vermochte in dieser Abtei. Zu den Briefen also. Wir wissen jetzt mit Sicherheit, daß sie in deinen Händen waren und daß du dich bemühtest, sie zu verbergen, als wären sie schlimmstes Gift, und daß du sogar gemordet hast …«, mit einer knappen Handbewegung unterband er einen Protestversuch, »… über den Mord reden wir später … daß du sogar gemordet hast, sagte ich, damit sie mir nicht in die Hände fielen. Gibst du jetzt zu, daß diese Schriftstücke dir gehören?«
    Der Cellerar schwieg, doch sein Schweigen war sehr beredt. Weshalb Bernard sofort nachstieß: »Und was sind das für Schriftstücke? Es sind zwei Briefe von der Hand des Häresiarchen Dolcino, die er wenige Tage vor seiner Ergreifung geschrieben und einem seiner Jünger anvertraut hat, damit dieser sie anderen Sektenmitgliedern, die noch verstreut in Italien leben, überbringe! Ich könnte alles vorlesen, was hier geschrieben steht, und wie Dolcino, sein nahes Ende befürchtend, die Mitbrüder, wie er sagt, auf den Satan zu hoffen ermuntert! Er tröstet sie mit der Ankündigung, mögen die hier genannten Daten auch nicht mit denen seiner früheren Rundbriefe übereinstimmen, in welchen er die totale Vernichtung aller Priester durch Kaiser Friedrich für das Jahr 1305 angekündigt hatte, daß diese Vernichtung gleichwohl nicht mehr fern sei. Womit der Häresiarch erneut gelogen hatte, denn seither sind über zwanzig Jahre vergangen, und keine seiner ruchlosen Prophezeiungen hat sich erfüllt! Aber nicht über den lachhaften Dünkel dieser Prophezeiungen haben wir hier zu reden, sondern über die Tatsache, daß Remigius ihr Überbringer war. Kannst du noch leugnen, unbußfertiger Ketzerbruder, daß du Verkehr und Gemeinschaft hattest mit der Sekte der Pseudo-Apostel?«
    Der Cellerar konnte es nicht mehr leugnen. »Herr Inquisitor«, sagte er kleinlaut, »meine Jugend war durchdrungen von höchst beklagenswerten Irrtümern. Als ich Dolcino predigen hörte, bereits verführt von den falschen Lehren der Brüder des armen Lebens, glaubte ich ihm und schloß mich seiner Bande an. Ja, es ist wahr, ich zog mit ihnen durch die Berge von Brescia und Bergamo, ich war mit ihnen in Como und in Valsesia, ich floh mit ihnen auf die Parete Calva und ins Tal der Rassa und schließlich auf den Monte Rebello. Aber ich war an keiner ihrer Missetaten beteiligt, und wenn sie Plünderungen und Gewalttaten begingen, war ich stets erfüllt vom Geiste der Sanftmut, wie er den Kindern des heiligen Franz eigentümlich ist, und genau auf dem Monte Rebello sagte ich zu Dolcino, daß ich mich nicht in der Lage fühlte, an seinem Kampf teilzunehmen, und da entließ er mich, denn er wollte, wie er mir sagte, keine Schlappschwänze um sich haben, und als einziges bat er mich noch, diese Briefe nach Bologna zu überbringen …«
    »Wem?« fragte Kardinal Bertrand.
    »Einigen seiner Sektenbrüder, deren Namen mir, glaube ich, noch im Gedächtnis sind, und sobald sie mir einfallen, werde ich sie Euch sagen, Herr Kardinal«, beeilte der Angeklagte sich zu versichern. Und prompt nannte er die Namen einiger Leute, die Bertrand offenbar kannte, denn dieser lehnte sich mit zufriedenem Lächeln zurück und nickte dem Inquisitor zu.
    »Sehr gut«, sagte Bernard und notierte die Namen. Dann fragte er Remigius: »Und wieso lieferst du uns deine Freunde jetzt aus?«
    »Es sind nicht meine Freunde, was Ihr daran sehen könnt, daß ich ihnen die Briefe nicht überbracht habe. Ja, und ich tat sogar noch mehr, und das will ich Euch jetzt sagen, nachdem ich es jahrelang zu vergessen suchte: Um jenen Berg verlassen zu können, ohne im Tal von den Soldaten des Bischofs gefaßt zu werden, setzte ich mich heimlich mit einigen von ihnen in Verbindung und zeigte ihnen als Gegenleistung für freies Geleit, wie sie am besten Dolcinos Festung erstürmen konnten – und so verdanken die Kräfte der Kirche einen Teil ihres Erfolges meiner Kollaboration …«
    »Sehr interessant. Damit wissen wir nun, daß du nicht bloß ein Ketzer warst, sondern auch noch ein Feigling und ein Verräter. Was deine Lage nicht besser macht. Wie du heute, um dich zu retten, deinen Mitbruder Malachias anzuklagen versucht hast, obwohl er dir

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