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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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wie eine Katze von gleicher Farbe! Gleich hieß es, sie sei eine Hexe und eine Pseudo-Apostolin, und alle stürzten sich auf sie, um sie zu strafen. Johannes der Täufer köpfte sie, Abel erschlug sie, Adam verjagte sie aus dem Paradies, Nebukadnezar schrieb ihr mit flammender Hand geheimnisvolle Tierkreiszeichen auf die Brust, Elias entführte sie auf einem feurigen Wagen, Noah ertränkte sie in der Sintflut, Lot verwandelte sie in eine Salzsäule, Susanna beschuldigte sie der Lüsternheit, Joseph betrog sie mit einer anderen, Hananja steckte sie in einen Ofen, Samson legte sie in Ketten, Paulus geißelte sie, Petrus kreuzigte sie mit dem Kopf nach unten, Stephanus steinigte sie, Laurentius verbrannte sie auf einem Rost, Bartholomäus häutete sie, Judas verriet sie, Remigius schickte sie auf den Scheiterhaufen, und Petrus leugnete alles … Doch damit nicht genug, warfen sich alle auf ihren geschundenen Leib, entleerten den Darm über ihr, furzten ihr ins Gesicht, urinierten ihr auf den Kopf, spien ihr auf die Brust, rissen ihr die Haare aus und zerfetzten ihr den Rücken mit brennenden Ruten. Der einst so schöne und zarte Leib des Mädchens löste sich auf und zerfiel in Knochenfragmente, die sich auf die kristallenen und goldenen Reliquienschreine in der Krypta verteilten. Oder nein, es war nicht der Leib des Mädchens, der auseinanderflog, um die Krypta zu füllen, es waren eher die in der Krypta verteilten Knochenfragmente, die aufwirbelten und sich eine Zeitlang zum – nun selbst mineralisch gewordenen – Körper des Mädchens zusammenfügten, um dann erneut auseinanderzufallen und zu verfliegen als heiliger Schutt von Körpersegmenten, die eine rasende Bigotterie hier aufgehäuft hatte. Es war, als hätte ein einziger riesiger Körper sich im Verlauf der Jahrtausende in seine Teile aufgelöst, um mit diesen Teilen die ganze Krypta zu besetzen, die jetzt, abgesehen von ihrem größeren Glanz, durchaus dem Ossarium der verstorbenen Mönche glich. Als wäre, mit einem Wort, die forma substantialis des menschlichen Leibes, dieses Meisterwerkes der Schöpfung, in eine Vielzahl einzelner und vereinzelter accidentia zerfallen, also zum Sinnbild ihres eigenen Gegenteils verkehrt: zu einer nicht mehr idealen, bloß noch irdenen Form aus Staub und stinkenden Knochenresten, unfähig, etwas anderes zu bedeuten als Tod und Zerstörung …
    Wie fortgeblasen waren die Teilnehmer des Gelages mitsamt ihren Gaben. Es war, als lägen auf einmal alle Gäste des Symposions in den Schreinen der Krypta, mumifiziert in ihren eigenen Resten, jeder nur noch als fadenscheinige Synekdoché seiner selbst: Rahel als Knochen, Daniel als Zahn, Samson als Kinnlade, Jesus als rotbrauner Tuchfetzen … Als wäre am Ende des Gastmahls, während das Fest sich wandelte zum Massaker an der Schönen, aus diesem zugleich ein allgemeines Massaker geworden und hier nun das Endergebnis zu sehen: die Leiber (was sage ich: der Gesamtleib, der ganze irdische, sublunarische Corpus jener heißhungrigen und dürstenden Tischgenossen!) verwandelt zu einem einzigen toten Körper, zerfetzt und zermartert wie der Körper Dolcinos nach vollzogener Strafe, umgewandelt in einen glänzend-ekligen Schatz, ausgebreitet in seiner ganzen Länge und Breite wie die ausgebreitete Haut eines abgehäuteten Tieres, die jedoch weiterhin alle Organe wie versteinert in sich enthielte, die Eingeweide, die Muskeln und Nerven, ja selbst die Gesichtszüge. Die Haut mit all ihren Fältchen, Runzeln und Narben, mit ihren flaumigen Ebenen, mit dem Wald der Haare auf Armen und Bauch und auf der erschlafften Scham, die Brüste, die Nägel, die Hornbildungen an den Fersen, die feinen Wimperhärchen, die wäßrige Substanz der Augen, das weiche Lippenfleisch, die schlanke Säule der Wirbel, die Architektur des Knochengerüstes – nun alles zu mehligem Staub geworden, ohne daß jedoch eines davon seine Form und seinen Bezug zu den anderen verloren hätte: die Beine entleert und schlaff wie zwei lange Strümpfe, ihr Fleisch ausgebreitet daneben wie ein Planet mit allen wimmelnden Arabesken der Adern, das verschlungene Gewölle der Innereien, der feuchtschimmernde Rubin des Herzens, die perlweiße Prozession der Zähne, gleichmäßig aufgereiht zu einer Halskette mit der Zunge als rotblauem Anhänger, die Finger säuberlich nebeneinandergelegt wie Wachskerzen, der Stempel des Nabels als Verknotung der Fäden des ausgebreiteten Bauchdeckengeflechts … Von allen Seiten grinste, raunte,

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