Reich durch Hartz IV
Vorwort
46 Milliarden Euro haben Bund und Kommunen allein im Jahr 2011 für Hartz IV ausgegeben – der Sozialetat ist mit Abstand der größte Posten im Bundeshaushalt. Doch werden diese Mittel wirklich sinnvoll investiert? Und sind die Leistungsempfänger auch die Gewinner, wenn es um Fördermaßnahmen geht? Wer die Verlierer?
In diesem Buch begebe ich mich auf eine Reise durch den deutschen Behördendschungel und entdecke dabei mehr und mehr, dass das Geschäft mit der Arbeitslosigkeit boomt und für viele Firmen ein durchaus lohnender Wirtschaftszweig ist. Denn trotz Eurokrise und Staatsverschuldung wird eine Hartz-IV-Industrie am Leben gehalten, die viel kassiert, aber wenig Nutzen stiftet – am allerwenigsten denen, die echte Unterstützung brauchen. Einmal entdeckte Abkassiermöglichkeiten werden stetig ausgebaut und immer neue Bedürfnisse künstlich geschaffen. Denn: Der Selbsterhaltungstrieb all der Organisationen, die über die Abschaffung von Armut, über die Notwendigkeit von Bildung und »Teilhabe« räsonieren, ist das größte Hindernis dabei, dass die Fürsorgeempfänger wieder auf die Beine kommen und auf eigenen Füßen stehen. Zwar hat die Konjunktur insgesamt Bewegung in den Arbeitsmarkt gebracht, bei den Langzeitarbeitslosen tut sich jedoch so gut wie nichts.
Über die Hälfte von ihnen ist »nicht mehr vermittelbar«. Bildungsträger kümmern sich um sie und machen so ein Milliardengeschäft. Es gibt Strickseminare, Supermärkte mit Gummieiern, Theaterkurse und Telefonausbildungen – Maßnahmen, angeboten von einem Wirtschaftszweig, dem es umso besser geht, je mehr Menschen auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Im Jahr 2012 kassierten diese Bildungsträger monatlich 500 bis 800 Euro pro Teilnehmer von den Jobcentern für mehrmonatige Kurse wie diese. Mancher Arbeitslose saß bereits zum zehnten Mal im Seminar »Wie bewerbe ich mich richtig?«
Die Hartz-Maschine brummt. So werden Fernfahrer mit Geldern des Jobcenters aus Steuermitteln ausgebildet, Spediteure können sich die teuren Ausbildungsmaßnahmen sparen, der Steuerzahler springt garantiert ein. Bundesweit sammeln etwa 4500 Tafel-Fahrzeuge in Supermärkten und Geschäften welkes Gemüse und abgelaufene Lebensmittel ein – überwiegend gegen Spendenquittung. Die Spender bestehen darauf, dass alles abgeholt wird, selbst wenn es schimmelt und fault, denn so sparen sich die Betriebe teure Entsorgungskosten. Es entsteht eine Parallelwelt, das Lebensmitteltauschgeschäft mit Tafeln als subventionierte Billig-Food-Kette.Auch Rechtsanwälte machen Kasse mit Hartz IV. Selbst wenn der Hartz-IV-Empfänger seinen Prozess verliert, garantiert ihm die Prozesskostenhilfe, sprich der Steuerzahler, das Geschäft. Für die Immobilienbranche sind Hartz-IV-Bezieher solvente Mieter, denn das Amt zahlt prompt und pünktlich. Deutschland scheint sich einzurichten mit einem System der Transferleistungen.
Ein typisch deutsches Problem? Ja, könnte man sagen, denn ganz anders sieht es beispielsweise im Nachbarland Holland aus. Nach radikalen Reformen sank dort im Jahr 2008 die Arbeitslosenquote zeitweilig auf drei Prozent, bis 2011 lag sie bei vier Prozent und stieg infolge der Finanzkrise auf fünf Prozent an. Das Prinzip dort heißt: Wer nicht arbeitet, der kriegt auch kein Geld vom Amt. Und wenn es nur gemeinnützige Tätigkeiten sind, wie Schneeschippen, Stadtparkreinigen oder als Einkaufshelfer für Alte und Schwache – zu Hause bleiben dürfen Arbeitslose in Holland nicht. Auch wir in Deutschland können es uns nicht mehr leisten wegzuschauen. Die demografische Uhr tickt. Und schon in wenigen Jahren werden immer weniger junge Leute ein Heer von Alten ernähren müssen. Es muss also radikal umgedacht werden. Der Staat darf nicht länger nur ein Umverteiler von Geldern sein, denn sonst ersticken wir an der Schuldenlawine, die uns bereits überrollt hat.
Anstelle einer Einleitung
Als Jugendliche hörte ich die Antrittsrede des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy. Vor allem eine Aussage elektrisierte mich. »Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst!«, waren die berühmten Worte, die er seinen Landsleuten 1961 zurief. Diese Aufforderung wurde damals auch bei uns in Deutschland regelmäßig wiederholt. Sie passte in die Zeit des Aufbruchs nach dem katastrophalen Zweiten Weltkrieg. Alle versuchten rund um die Uhr, wieder auf die Beine zu kommen, etwas aufzubauen. Die vielen Kriegswitwen hängten
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