Der Name der Rose
erhellte seine Züge, worauf die anderen Mönche, die unserem Gespräch mit einer gewissen Scheu gefolgt waren, wie erlöst in ein allgemeines Gelächter ausbrachen, als hätten sie nur die Zustimmung des Bibliothekars abgewartet. Dieser freilich verdüsterte sich sofort wieder, doch die anderen lachten nun weiter im Chor, lobten die Kunst des armen Adelmus und zeigten einander die unwahrscheinlichsten Gestalten. Und während sie alle laut durcheinanderlachten, ertönte plötzlich in unserem Rücken eine sehr ernste und strenge Stimme:
» Verba vana aut risui apta non loqui! « 21
Wir drehten uns um. Der da gesprochen hatte, war ein greiser Mönch, gebeugt von der Last seiner Jahre und weiß wie der Schnee, nicht nur an Kopf und Händen, sondern auch im Gesicht und sogar in den Augen. Offensichtlich ein Blinder. Seine Stimme hatte majestätisch geklungen, und seine Glieder schienen mir trotz seines hohen Alters noch kraftvoll zu sein. Er fixierte uns streng, als könnte er uns sehen, und auch in den folgenden Tagen sah ich ihn stets sich bewegen und sprechen, als wäre er noch im Besitz seines Augenlichtes. Doch der Ton seiner Stimme war der eines Mannes, der nur das innere Auge besitzt, will sagen die Gabe der Prophetie.
»Der ehrwürdige und weise Mönch, der da vor Euch steht«, sagte Malachias zu William und wies auf den Neuankömmling, »ist Bruder Jorge von Burgos. Älter als jeder andere in diesem Kloster, ausgenommen Alinardus von Grottaferrata, ist er es, dem hier die meisten Brüder ihre Sündenlast anvertrauen im Geheimnis der Beichte.« Und zu dem Greis gewandt sagte er: »Vor Euch steht Bruder William von Baskerville, er ist bei uns zu Gast.«
»Ich hoffe, Euch nicht erzürnt zu haben mit meinen Worten«, sagte der Alte kühl. »Ich hörte Personen über lachhafte Dinge lachen und erinnerte sie an einen Grundsatz unserer Regel. Denn wie der Psalmist sagt: Wenn der Mönch sich der guten Reden enthalten muß aufgrund des Schweigegebotes, so hat er erst recht die üblen Reden zu meiden. Und wie es üble Reden gibt, gibt es auch üble Bilder. Und das sind solche, die Lügen verbreiten über die Formen der Schöpfung, indem sie die Welt verkehrtherum darstellen, als das Gegenteil dessen, was sie ist und sein muß und bleiben wird von Säkulum zu Säkulum bis ans Ende der Zeiten … Doch Ihr kommt ja aus einem anderen Orden, in welchem, wie mir berichtet wurde, selbst noch die unangebrachteste Heiterkeit mit Nachsicht betrachtet wird.« Die letzten Worte waren eine Anspielung auf die unter den Benediktinern verbreiteten Ansichten über die Grillen des heiligen Franz von Assisi – und vielleicht auch ein wenig auf die Grillen, die man den Fratizellen und Spiritualen aller Art, den jüngsten und beunruhigendsten Sprößlingen des Franziskanerordens, zu unterstellen pflegte. Doch Bruder William tat so, als habe er die Anzüglichkeit überhört.
»Die Bilder an den Rändern der Manuskripte reizen uns häufig zum Lachen, aber sie tun es nur zu erbaulichen Zwecken«, erwiderte er. »Wie man in Predigten vor dem Volk oft Exempla. einführen muß, und nicht selten ergötzliche, um die Phantasie der frommen Zuhörer anzuregen, so muß auch die Rede der Bilder sich dieser Possen bedienen. Für jede Tugend und jede Sünde gibt es ein Beispiel in der Welt der Tiere, und die Tiere spiegeln die Welt der Menschen.«
»Oh, gewiß doch!« höhnte der Alte, ohne die Miene zu verziehen. »Jedes Bildnis ist gut, um die Menschen zur Tugend anzuhalten, damit am Ende die Krone der Schöpfung, auf den Kopf gestellt und mit den Beinen nach oben, zum Anlaß groben Gelächters wird! So offenbart sich das Wort des Herrn im Esel, der auf der Leier spielt, im Tölpel, der mit dem Schilde pflügt, im Ochsen, der sich von allein vor den Pflug spannt, in Flüssen, die den Berg hinauffließen, in Meeren, die sich entzünden, im Wolf, der zum frommen Einsiedler wird! Jagt die Hasen mit Ochsen, laßt euch die Grammatik von den Spatzen beibringen, die Hunde mögen die Flöhe beißen, die Blinden mögen die Stummen betrachten, und die Stummen schreien nach Brot! Die Ameisen mögen Kälber gebären, gebratene Hühner fliegen, die Fladenkuchen wachsen auf Dächern, die Papageien halten Rhetorikkurse, die Hennen bespringen die Hähne, spannt die Karren vor die Ochsen, laßt die Hunde in Betten schlafen und laßt uns alle hinfort auf den Köpfen gehen! Was sollen all diese Possen? Eine verkehrte Welt, erfunden als Gegenteil der von Gott
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