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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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zu lange für die klare Antwort, die er dann gab: »Vieles. Ich sagte doch: die Grenze zwischen Medikament und Gift ist fließend, die Griechen nannten beides pharmakon .«
    »Und ist dir in letzter Zeit irgend etwas abhandengekommen?«
    »Nein, in letzter Zeit nicht.«
    »Und früher?«
    »Wer weiß? Ich kann mich nicht erinnern. Ich bin seit dreißig Jahren in dieser Abtei und im Hospital seit fünfundzwanzig.«
    »Zu lange für ein menschliches Gedächtnis«, sagte William verständnisvoll. Dann, unvermittelt: »Wir sprachen gestern von Pflanzen, die Visionen hervorrufen. Welche sind das?«
    Severins Gesicht und sein ganzes Verhalten drückten den lebhaften Wunsch aus, dieses Thema umgehen zu können. »Darüber müßte ich erstmal nachdenken. Weißt du, ich habe hier so viele Wundersubstanzen … Sprechen wir lieber von Venantius. Was hältst du von der Sache?«
    »Darüber müßte ich erstmal nachdenken«, sagte William.

PRIMA
    Worin Benno von Uppsala einiges zu erzählen hat, anderes dann auch Berengar von Arundel, und Adson am Ende lernt, was wahre Buße ist.
    Der unselige Zwischenfall hatte den Tagesablauf der Abtei zutiefst erschüttert. Die Entdeckung der grausigen Leiche mit all dem Wirrwarr und Lärm in ihrem Gefolge war mitten ins heilige Morgengebet hineingeplatzt. So rasch wie möglich hatte daher der Abt die erregten Mönche in die Kirche zurückgeschickt, um für das Seelenheil ihres toten Mitbruders zu beten.
    Die Stimmen der Mönche klangen gebrochen. Wir setzten uns so, daß wir ihre Gesichter studieren konnten, wenn sie gemäß den Anforderungen der Liturgie ihre Kapuzen abstreiften. Als erstes sahen wir das Gesicht Berengars. Bleich, verkniffen und glänzend vor Schweiß. Am Vortag hatten wir zwei Andeutungen über ihn gehört, aus denen hervorging, daß zwischen ihm und Adelmus offenbar ein besonderes Verhältnis bestanden hatte, und das Bemerkenswerte daran war nicht die Tatsache, daß die beiden Gleichaltrigen befreundet gewesen waren, sondern der anzügliche Ton, in dem die anderen von dieser Freundschaft sprachen.
    Neben ihm saß Malachias. Dunkel, die Augenbrauen finster zusammengezogen, undurchdringlich. An seiner Seite, ebenso undurchdringlich, der blinde Jorge. Auffällig erregt dagegen erschien uns Benno von Uppsala, der junge Rhetorikforscher, den wir ebenfalls im Skriptorium kennengelernt hatten. Gerade warf er Malachias einen hastigen Seitenblick zu.
    »Benno ist nervös, Berengar ist verstört«, raunte William mir zu. »Wir müssen sie beide gleich verhören.«
    »Warum?« fragte ich naiv.
    »Wir haben hier einen harten Beruf auszuüben, lieber Adson: den harten Beruf des Inquisitors. Wir müssen die Schwachen packen, wenn sie am schwächsten sind.«
    Als ersten griffen wir uns gleich nach dem Gottesdienst den jungen Benno, der sich ins Skriptorium begeben wollte. Er schien verwirrt, als William ihn anrief, und versuchte sich uns mit fadenscheinigen Hinweisen auf irgendeine dringende Arbeit zu entziehen. Doch streng erinnerte ihn mein Meister daran, daß hier eine Untersuchung im Auftrag des Abtes durchgeführt werde, und nahm den Widerstrebenden mit in den Kreuzgang. Wir setzten uns auf die Brüstung zwischen zwei Säulen. Benno schwieg abwartend und schaute nervös zum Aedificium hinüber.
    »Also«, begann William, »erzähl mir, was neulich geredet wurde, als ihr im Skriptorium über die Miniaturen eures Mitbruders Adelmus diskutiertet – du, Berengar, Venantius, Malachias und Jorge.«
    »Ihr habt es gestern gehört, es fing damit an, daß Jorge sagte, es sei nicht recht, die ernsten Bücher, in denen die Wahrheit steht, mit unernsten Bildern zu verzieren. Venantius hielt dagegen, daß sogar der große Aristoteles die Meinung vertreten habe, Witze und Wortspiele könnten Mittel zur Enthüllung der Wahrheit sein, und folglich könne das Lachen ja wohl nichts Schlechtes sein, wenn es der Wahrheit als Vehikel zu dienen vermag. Worauf Jorge erwiderte, soweit er sich entsinnen könne, habe Aristoteles diese Dinge in seinem Buch der Rhetorik anläßlich der Metapher behandelt, und das seien bereits zwei bedenkliche Umstände: erstens, weil das Buch der Rhetorik, das der christlichen Welt so lange verborgen geblieben war, was vielleicht Gott so gewollt habe, nur durch Vermittlung der heidnischen Mauren zu uns gelangt sei …«
    »Aber es wurde von einem Freund des Doctor Angelicus von Aquin ins Lateinische übersetzt«, warf William ein.
    »Genau das habe ich auch gesagt«, fuhr

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