Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis
gedacht...«
»Egal für wen die Nachricht gedacht war, jetzt ist sie bei uns gelandet«, stellte Kass fest. »Das heißt, wir müssen ihm helfen.« »Aber er ist tot!« »Da bin ich mir nicht so sicher...«
»Stimmt«, sagte Max-Ernest nachdenklich. »Und selbst wenn er es doch ist, wäre es gut, herauszufinden –«
»Psst!« Kass legte den Finger an den Mund. »Da ist Benjamin Blake...«
Ein blasser Junge mit weit aufgerissenen Augen – Benjamin Blake – hielt die Nase in den Wind und sog gierig die Luft ein.
»Glaubst du, er riecht Lakritze oder Erdnussbutter?«, flüsterte Kass.
»Wie kommst du darauf?«, flüsterte Max-Ernest zurück.
»Ich weiß nicht – wer kennt sich schon aus bei Benjamin Blake.«
Benjamin Blake war eine ständige Quelle der Verwunderung, nicht nur für Kass, sondern für alle seine Klassenkameraden. Wenn sie ihn in ihre Bewertungslisten aufgenommen hätten, dann am ehesten als den ausgefallensten oder verrücktesten aller Schüler. Aber am allerverrücktesten war, wie die Erwachsenen um ihn herumtanzten.
Vor Kurzem hatte er einen wichtigen Kunstpreis gewonnen, sehr zur Verblüffung seiner Mitschüler. Seine Bilder, die im Eingang der Schule aufgehängt waren, ließen eher vermuten, dass er keinen geraden Strich ziehen konnte. Trotzdem war ein Foto von ihm in der Zeitung und Mrs Johnson hatte extra eine Durchsage gemacht, als sei die Preisverleihung ein bedeutsames historisches Ereignis. Benjamin bekam den Auftrag, eine Wand in der Empfangshalle des Rathauses zu bemalen, und zur Preisverleihung fuhr er sogar nach Washington D.C. Danach behandelten ihn sämtliche Lehrer wie einen Filmstar oder den neu gewählten Präsidenten.
Als Benjamin merkte, dass Kass und Max-Ernest ihn beobachteten, wurde er rot und murmelte etwas vor sich hin.
»Was hat er gesagt?«, fragte Kass. »Etwas über Kojoten?« »Ich glaube, er hat gesagt, er hört Oboen«, sagte Max-Ernest. »Du machst Witze, oder?« Max-Ernest schüttelte den Kopf. »Das ist verrückt. Er muss uns belauscht haben, als ich die
Liste vorgelesen habe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand wie er so neugierig ist.«
Einen Augenblick lang sah es so aus, als wollte Benjamin noch etwas sagen. Aber als Kass den Deckel der Holzkiste zuklappte, drehte er sich um und ging weg.
Kapitel fünf
Lügen
S o verschieden sie auch waren, eins hatten Kass und Max-Ernest gemeinsam: Sie waren keine Lügner. Das war bedauerlich. Wie du sicher aus eigener Erfahrung weißt, ist Lügen ein äußerst nützliches Talent.
Besonders wichtig ist es beispielsweise, wenn du den Ort eines mysteriösen Verschwindens oder möglichen Mordes aufsuchen willst und davon ausgehen musst, dass deine Eltern dich nicht gehen lassen, wenn sie über deinen Plan Bescheid wissen.
Kass nahm sich vor, erst einmal mit einer kleinen Lüge anzufangen.
Freitagabends brachte ihre Mutter immer Essen von dem thailändischen Restaurant gleich um die Ecke mit. Thailändisches Essen mochte Kass am liebsten, insbesondere Pad-Thai-Nudeln (nur die Eier nicht) und Satay, marinierte Fleischspieße, am liebsten mit Erdnusssoße. Während sie also an diesem Freitagabend zufrieden an ihren Fleischspießchen nagte, sagte sie zu ihrer Mutter: »Heute haben wir bei Mrs Stohl im Unterricht gelernt, wieso Satays auf Spieße gesteckt werden.«
»Kass, hatten wir nicht eine Vereinbarung wegen deines Rucksacks?«, sagte ihre Mutter, die entweder nicht zugehört hatte oder Kassandras Worte einfach ignorierte. »Wie du sicher bemerkt hast, habe ich nichts über das Loch in deiner Hose genau am linken Knie gesagt.«
Bei der Vereinbarung ging es darum, dass Kass ihren Rucksack abnehmen musste, solange sie zu Hause war, im Gegenzug durfte ihre Mutter nicht am Zustand ihrer Kleidung herummäkeln.
Normalerweise hätte Kass nun darauf hingewiesen, dass ihre Mutter, indem sie behauptete, nichts über das Loch sagen zu wollen, schon etwas darüber gesagt hatte. Doch heute wollte Kass sich an einer Lüge versuchen, daher schwieg sie lieber.
Stattdessen stellte Kass ihren Rucksack auf den Fußboden und unternahm einen neuen Versuch. »Also, weißt du, wieso Satays auf Spieße gesteckt werden?«
»Nein, weiß ich nicht«, sagte die Mutter. »Warum?«
»Weil sie in Thailand keine Teller haben«, sagte Kass.
Das stimmte natürlich nicht. Sie hatten sehr wohl Teller in Thailand. Und Mrs Stohl hatte an diesem Tag überhaupt kein Wort zu diesem Thema gesagt.
So unbedeutend diese Lüge auch war, es
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