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Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis

Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis

Titel: Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pseudonymous Bosch
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nämlich aus zwei Hälften. Die eine war weiß und hatte klare Linien; eine Immobilienmaklerin wie Gloria Fortune würde »elegant und modern« dazu sagen. Die andere war dunkel und holzverkleidet. Gloria würde sie vermutlich als »heimelig und rustikal« bezeichnen. Die moderne Seite gehörte Max-Ernests Mutter, die andere seinem Vater.
    Als die Haustür aufging, sah Kass, dass sich die gespaltene Persönlichkeit des Hauses auch im Inneren fortsetzte. Keiner, weder Vater noch Mutter, durfte die jeweils andere Haushälfte betreten – das wurde Kass klar, als sie dem Vater die Hand schütteln wollte, während sie auf der Seite des Eingangs stand, der zur Haushälfte der Mutter gehörte. Kass fiel beinahe der Länge nach hin, weil sie eigentlich erwartet hatte, dass er ihr die Hand entgegenstreckte, dies aber nicht tat.
    »Hallo, Kass. Ich habe schon so viel von dir gehört«, sagte er mit einem Lächeln, bewegte sich aber keinen Schritt auf sie zu.
    »Kass, herzlich willkommen! Max-Ernest hat mir schon so viel von dir erzählt«, sagte Max-Ernests Mutter, als hätte der Vater nicht gerade eben fast dasselbe gesagt.
    Für sie existierte Max-Ernests Vater offenbar nicht. Und umgekehrt war es genauso. Die beiden benahmen sich, gelinde gesagt, sehr merkwürdig.
    Als Kass sagte, dass sie noch nie ein Haus wie dieses gesehen hätte, erklärte Max-Ernest, seine Eltern wären der Ansicht, dass ein Kind Vater und Mutter braucht, auch wenn sie geschieden sind. Tatsächlich war dies so ziemlich das Einzige, worüber sie einer Meinung waren. Aus diesem Grund lebten sie zusammen, hielten aber gleichzeitig alles streng getrennt, was auch den Stil des Hauses betraf.
    »Oh, na ja, ich habe nur ein Elternteil – meine Mom«, sagte Kass. »Deshalb hat unser Haus nur einen einzigen Stil.« Sie wollte noch hinzufügen, dass sie es genau so mochte, ließ es dann jedoch bleiben. Sie wollte keine Streitereien heraufbeschwören, wo doch Max-Ernest und sie eine so wichtige und geheime Mission zu erfüllen hatten.
    Trotz des seltsamen Verhaltens fand Kass die Eltern von Max-Ernest ziemlich nett. Sie waren offensichtlich sehr froh, die erste Freundin ihres Sohns kennenzulernen, und behandelten Kass wie einen Ehrengast. Sie erlaubten ihr, Sebastian mit ins Haus zu nehmen, und beide stellten ihm eine Schüssel mit Wasser hin (sehr zur Verwirrung des blinden Hundes, der es gewohnt war, immer nur einen Wassernapf zu haben). Und sie regten sich auch nicht auf, als Kass sich weigerte, ihren Rucksack abzunehmen.
    »Ich bin eine Überlebenskünstlerin«, erklärte sie. »Ich muss ihn immer bei mir haben.«
    »Ausgezeichnet«, sagte Max-Ernests Mutter. »Es ist wichtig, im Notfall gerüstet zu sein.«
    »Das ist großartig«, sagte Max-Ernests Vater. »Für den Notfall gerüstet zu sein, ist wichtig.«
    Sie ließen es sich nicht nehmen, für Kass ein Frühstück zu bereiten: Der Vater schlug Pfannkuchen vor, die Mutter Waffeln. Woraufhin der Vater Waffeln vorschlug und die Mutter Pfannkuchen. Kass hatte schon gefrühstückt, aber es wäre unhöflich gewesen, nichts zu essen. Also bat sie um Toast, weil sie dachte, das ginge am schnellsten. In Windeseile servierte die Mutter ihr getoastetes französisches Weißbrot mit reichlich Butter. Fast genauso schnell reichte der Vater ihr eine getoastete Scheibe Vollkornbrot mit Himbeermarmelade.
    Ehe Kass auch nur eins davon aufessen konnte, erklärte Max-Ernest, sie müssten jetzt gehen. Kass hatte sich schon eine Ausrede zurechtgelegt, dass sie im Park Material für das Schulprojekt sammeln müssten, aber die Eltern waren so begeistert, dass ihr Sohn eine Freundin hatte, dass sie gar nicht auf die Idee kamen zu fragen, wohin die beiden gehen wollten.
    »Was ist mit deinem Dad passiert?«, fragte Max-Ernest, als die Haustür hinter ihnen ins Schloss fiel.
    »Was meinst du damit? Wer behauptet, dass etwas mit ihm passiert ist?«, fragte Kass und marschierte mit großen Schritten los.
    »Na ja, du hast gesagt, du hättest nur eine Mom.«
    »Ja und?«
    »Hattest du nie einen Dad?«
    Kass zögerte und wich Max-Ernests Blick aus.
    »Hatte ich schon«, sagte sie dann. »Er ist gestorben, als ich drei war. Hat einen Stromschlag bekommen.«
    »Einen Stromschlag? Wow!«, rief Max-Ernest tief beeindruckt. »Auf dem elektrischen Stuhl? Hat er jemanden ermordet?«
    »Nein! Ein Blitz hat ihn getroffen, du Dummkopf. Er war beim Zelten. Ein Sturm hat gewütet. Er wollte seine Essensvorräte an einem Ast festbinden – damit

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