Der Narr und der Tod
warf ihren Koffer auf das Bett. „Vor unserer Hochzeit haben wir in einer Wohnung gelebt, die viel kleiner war als die hier.“
Das mochte ich mir nur ungern vorstellen.
„Ich hoffe, du kannst deinen Aufenthalt bei uns genießen“, sagte ich. Etwas anderes wollte mir einfach nicht einfallen. „Das heißt, ich hoffe, ihr fühlt euch wohl hier, Hayden und du. Ich lasse dich jetzt allein, damit du auspacken kannst. Ach ja: Wo soll das Baby denn schlafen? Hast du etwas dabei?“ Hoffentlich hatte sie, denn ich wusste echt nicht, was ich tun könnte, wenn sie jetzt nein sagte. Aber Regina versicherte mir, sie habe ein zusammenklappbares Reisebettchen mitgebracht. Das schien mir für eine im Grunde finanziell nicht gut gestellte Mutter ein ziemlicher Luxus zu sein, weswegen ich ein bisschen ins Grübeln geriet.
Ich stand noch oben an der Wohnungstür, als unten der Kies in der Auffahrt knirschte und Martins Wagen vorfuhr. Mein Mann stieg aus und blieb kurz stehen, um Reginas Auto anzustarren.
„Martin?“, rief ich. „Wir sind hier oben, komm hoch zu uns.“ Anscheinend war er vor der Heimfahrt nicht noch einmal in sein Büro zurückgekehrt.
Er trat in den Durchgang und sah zu mir hoch. „Was machst du denn in der Wohnung?“, wollte er wissen. Seit Shelby und Angel sich ein Haus in der Stadt gekauft hatten, war niemand mehr hier oben gewesen.
„Oh.“ Ich verspürte freudige Erregung, vielleicht gepaart mit einem Hauch Häme. „Du rätst im Leben nicht, wer zu Besuch gekommen ist, Liebling!“
Martin eilte sichtlich besorgt die Treppe hinauf. Ich ging beiseite, damit er die Wohnung betreten konnte.
Dort begrüßte ihn Regina mit einem freundlichen Lächeln auf den üppigen Lippen und dem Ausruf „Onkel Martin!“. Sie stand mit dem Gesicht zur Tür, das Baby an die Brust gedrückt wie eine gerade frisch im Supermarkt erstandene Tüte Lebensmittel.
Der Ausdruck in Martins Gesicht war unbezahlbar.
„Wussten wir, dass sie kommt?“, fragte er mich mit leiser Stimme, als wir zum Haus zurückgingen.
Ich schüttelte den Kopf.
„Wussten wir, dass sie ein Baby hat?“
Auch diesmal schüttelte ich den Kopf.
„Dann weiß Barby das auch nicht.“ Martin schüttelte den Kopf, „So etwas hätte sie nie für sich behalten.“
Da war ich ganz seiner Meinung. Zumal ich mir lebhaft vorstellen konnte, wie ungern Barby sich als Großmutter sehen würde. Was Regina klar sein dürfte, darauf wäre ich jede Wette eingegangen.
„Dann wissen wir also nicht, warum sie hier ist?“ Martin war es gewohnt, mit Informationen versorgt zu werden, sobald er darum bat. Normalerweise wurde ihm alles, womit er sich befassen musste, fein ordentlich und gut durchdacht vorgesetzt. Die unklare Situation in seinem Zuhause irritierte ihn sichtlich.
„Ich fasse mal zusammen, was ich nicht weiß“, sagte ich. „Das ist einfacher, als mir aus den Fingern zu saugen, was ich weiß. Ich weiß nicht, warum sie gekommen ist oder wie lange sie bleiben will. Ich weiß nicht, wo Craig ist. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was deine Schwester weiß.“ Obwohl ich das nicht laut sagte, um Martins Gefühle nicht zu verletzen, war ich mir überhaupt nicht sicher, was die Herkunft des Babys betraf.
Martin trank in der Küche eine Tasse Tee, während er sich die Lage durch den Kopf gehen ließ. „Ich muss noch mal hoch, mit ihr reden“, sagte er schließlich. „Ein paar dieser Fragen klären. Gehen wir immer noch zu den Lowrys?“
„Ich glaube nicht, dass wir absagen können. Regina scheint es nichts auszumachen, ein paar Stunden allein zu sein, und du weißt doch, wie empfindlich Catledge ist.“
„Okay. Ich gehe kurz zu ihr, dann komme ich wieder her und dusche.“ Das Teeglas landete mit einem deutlichen Knall auf dem Küchentresen, und schon marschierte mein Mann hinaus in die einbrechende Dunkelheit und den leichten Regen. Sein weißes Haar glitzerte in der Dämmerung.
Ich ging nach oben, um mich weiter für den Abend zurechtzumachen. Während ich Make-up auftrug, Schmuck heraussuchte und mir das Haar mit einem hübschen, schwarzgoldenen Kamm zurücksteckte, fragte ich mich, ob Martin wohl aus seiner Nichte mehr herausbekommen würde als ich. Wahrscheinlich schon, scheute er sich doch im Gegensatz zu mir nicht vor direkten Fragen.
Nur wirkte er nicht zufrieden, als er gut zwanzig Minuten später die Treppe zum Schlafzimmer hochstieg. Im Gegenteil, er wirkte erschöpft und besorgt.
Nachdem er mir rasch einen Kuss auf die
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