Der Narr und der Tod
sein Vater nun schon hier lebte, nicht ein Mal besucht.
Aber er hatte die Zeit gefunden, bei Reginas Hochzeit aufzutauchen, wo er Martin und mir unglaublich geschickt aus dem Weg gegangen war. Martin hatte sich am Abend vor dem Fest mit ihm in der Hotelbar getroffen, nachdem ich bereits zu Bett gegangen war, und das war es auch schon gewesen. Weiteren Kontakt hatte es zwischen Vater und Sohn nicht gegeben, obgleich Martin Barretts Karriere über einen langen Zeitraum mitfinanziert hatte.
Langsam wünschte ich, Martins einzige Nichte wäre in Ohio geblieben. Welche Gründe sie wohl für ihren Besuch haben mochte? Bisher hatte sie noch keine erwähnt, im Gegenteil, sie verhielt sich reichlich ausweichend.
„Regina?“, warf ich ein, nachdem eine lange, einseitige Abhandlung über Barretts wunderbare Karriere endlich ein Ende gefunden hatte. „Ich freue mich sehr, dass du uns besuchst, aber heute Abend könnte es ein paar Stunden schwierig werden. Dein Onkel und ich sind zum Abendessen eingeladen, die Einladung steht schon seit langem. Natürlich könnten wir die Lowrys anrufen und uns entschuldigen, aber ich fürchte ...“
Regina sah beinahe alarmiert auf. Sie hielt ihr Baby im Arm. Wie hieß der Kleine noch mal? Richtig: Hayden. Das durfte ich nicht vergessen. „Oh, nein! Bitte, ihr beiden macht einfach, was ihr euch vorgenommen habt, ich komme sehr gut allein zurecht. Zeig mir, wo die Mikrowelle steht, ich mach’ mir mein Abendessen gern selbst. Immerhin habe ich euch hier einfach so überfallen.“
Das hörte sich ja fast so an, als wäre es Regina nur recht, das Haus für sich zu haben. Ich spürte, wie sich meine Brauen zusammenzogen.
„Entschuldigst du mich kurz?“, fragte ich, was mir ein flüchtiges Nicken eintrug, denn Regina konzentrierte sich gerade ganz auf das Baby.
Ich ging über den Flur in das Zimmer, das wir uns als Arbeits- und Fernsehraum eingerichtet hatten. Dort nahm ich das schnurlose Telefon aus der Halterung und ließ mich auf das rote Ledersofa fallen, von dem aus man aus dem Fenster sehen konnte. Kaum saß ich, tauchte auch schon Madeleine auf, die Katze, die bei uns lebte und deren Lieblingsplatz hier im Raum der Korb war, in dem wir ausgelesene Zeitungen sammelten. Während ich mit der einen Hand Martins Dienstnummer eingab, kraulte ich mit der anderen Madeleine hinter den Ohren. Ich würde die Katze aus dem Zimmer schaffen müssen, ehe Martin nach Hause kam. Die Katze und er lebten in einer eindeutigen Hassbeziehung, seit Madeleine sich in Martins weißen Mercedes verliebt hatte, auf dem sie zu gern lag, um sich zu sonnen. Besonders dann, wenn der Boden draußen feucht war und sie den Schlamm an ihren Füßchen gleichmäßig über Windschutzscheibe und Kühlerhaube verteilen konnte. Martin rächte sich, indem er den Mercedes nur noch in der Garage parkte und jeden Abend sorgsam die Garagentür schloss. Madeleine zog nach, fing eine Maus (was eigentlich nicht ihre Art war), enthauptete das Nagetier und deponierte die Leiche in Martins Schuh. Woraufhin Martin ... Sie können sich denken, worauf ich hinauswill.
„Büro von Martin Bartell“, meldete sich Marnie Sands, Martins Sekretärin. Wie immer klang ihre raue Stimme kühl und geschäftsmäßig.
„Aurora hier, Mrs. Sands. Ich muss dringend mit Martin sprechen.“ Früher hatte ich mich immer automatisch entschuldigt, wenn ich meinen Mann bei der Arbeit stören musste. Es hatte Wochen gedauert, mir das abzugewöhnen.
„Oh, das tut mir leid, Mr. Bartell ist draußen im Werk.“ Auch Mrs. Sands hatte sich in ihrer Beziehung zu mir geändert, ihre Stimme klang entschieden weicher als in der ersten Zeit nach meiner Hochzeit. „Soll ich ihn ausrufen lassen?“
Ich versuchte mir vorzustellen, Martin im Kreis diverser Angestellter irgendwo auf dem Werksgelände am Telefon zu verkünden, dass ihn zu Hause seine Nichte mit einem Baby erwartete, von dessen Existenz er bislang nichts geahnt hatte. „Nein, das ist nicht nötig“, erklärte ich der Sekretärin. „Aber richten Sie ihm doch bitte aus, er möge mich anrufen, ehe er sich auf den Nachhauseweg macht.“
Ich zog einen Flunsch, als ich auflegte, dabei hatte meine Mutter mich oft genug davor gewarnt, mein Gesicht so zu verziehen. Laut Mutter lief ich Gefahr, irgendwann einmal ständig so auszusehen, als wäre ich angewidert.
In der Küche stellte Regina gerade ein paar Fläschchen Babynahrung in den Kühlschrank.
„Ich fühle mich schon ganz wie zu Hause“, teilte
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