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Der Narr

Der Narr

Titel: Der Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Papp
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Diensthandy in seinen k.u.k.-Schubladen verstaubte. Sie hatte es schließlich auch akzeptiert, dass es sinnlos wäre, ihn in die Liste eines E-Mail-Verteilers einzutragen, weil er seine E-Mails ohnehin nicht las. Er war ein Mann der alten Schule und sein unerklärlicher Erfolg gab ihm das Recht, die Regeln manchmal zu brechen. Aber dass er das Tablet anblickte, als wäre es vom Teufel beseelt, kostete sie einiges an Nerven.
    Es war ein trauriges Schauspiel, ihm zuzusehen, wie er es drehte und seine Gesichtszüge sich verzogen, als das Display den Bewegungen folgte. Die vielen Symbole auf dem Bildschirm machten ihn offenkundig nervös. Zum Glück waren die Fenster geschlossen, denn sonst wäre das Gerät womöglich noch auf der Windschutzscheibe eines nachkommenden Autos gelandet.
    »Jetzt stell dich nicht so an! Du musst hier oben nur einmal kurz schieben und auf das Briefsymbol drücken.«
    »Hanni! Fahrbahn! Wie ich dieses Ding hasse! Was zum Henker …? Was ist jetzt wieder passiert?«
    »Aufs Briefsymbol drücken!«
    »Hanni! Fahrbahn! Drecksding, verfluchtes! Was zum … ich habe doch gerade … nein, Schluss, Ende!«
    Hanni starrte einige Sekunden mit zusammengepressten Lippen auf die Fahrbahn. Jede Diskussion wäre sinnlos. Sie steuerte den Dienstwagen auf einen Parkplatz, riss ihrem Kollegen das Tablet unsanft aus der Hand, tippte zwei Mal kurz auf den Bildschirm und gab es ihm zurück. Sie gab Gas, dass ihr Motor aufheulte und lenkte den Wagen zurück auf die Autobahn. Remmel wurde auffällig still, doch dann fand er etwas heraus, mit dem sie nicht gerechnet hatte.
    »Hanni, Hanni!«, rief er mit einer Begeisterung, die sie an ihren Neffen erinnerte, als er das erste Mal in den Topf gemacht hatte.
    »Was ist?«
    »Wusstest du, dass es vor zwei Jahren schon einmal einen Skandal wegen der Heisenstein-Tochter gegeben hat? Hanni! Fahrbahn! Tacho!«

    *

    Sam war endlich an seinem Ziel angekommen, dem Linzer Hauptplatz, in dessen Mitte die Dreifaltigkeitssäule strahlend den Sieg über Krieg, Feuer und Pest markierte. Sams Triumph über die Nachwirkungen von Korn, Bier, Schnaps und Wein war hingegen noch in weiter Ferne.
    Er eilte die Rathausgasse entlang in Richtung des Mekkas der Nachtschwärmer. Doch der ›Leberkas-Pepi‹, bei dem man bis fünf Uhr früh aus einem reichhaltigen Sortiment wählen konnte, war dieses Mal nicht sein Ziel. In einer Gegend, in der sonst die Überreste toter Tiere massenhaft verschlungen wurden, befanden sich ironischer Weise auch zahlreiche Esoterikläden.
    Er zögerte, ins Shivas einzutreten. Was, wenn ihn jemand in Nimues Laden identifizieren konnte? Indische Gottheiten waren in Reih und Glied im Schaufenster ausgestellt. Die Figuren mit dem Elefantenkopf stachen ihm ins Auge. Sofort dachte er an glucksende Straßenverkäufer in Delhi: »Ganesha, Lord of Wisdom and Intelligence. Lord Shiva ripped off his head, but Parvati put elephant head on body.« Es gab Schlimmeres. Vielleicht nicht das Haupt eines Rüsseltiers, aber ein rotbackiger Mühlviertler Bauernschädel könnte all seine Probleme lösen: Niemand könnte sein Gesicht mehr mit dem Mord in Verbindung bringen.
    Kein Zögern mehr, der Gefahr ins Auge blicken! Kaum hatte Sam die Tür geöffnet, setzte sich exotischer Patschuli-Duft in seiner Nase fest. Er fühlte sich, als hätte er eine ordentliche Portion Ganja inhaliert, als er die langgezogenen Sitar-Klänge hörte. Der Laden war leer.
    In Glasschalen lagen fingerkuppengroße, verschiedenfärbige Heilsteine. Von Akanthikonith bis Zoisit. Auf einen rosafarbenen Schild wurde ihre Wirkung erklärt.
    »So ein Blödsinn«, knurrte er. Eher würde er freiwillig auf ein Vogonen-Schiff gehen, als sich einen Rosenquarz aufs Hirn zu legen.
    Sam musterte die Bücher im Regal. Titel wie ›Handbuch der Runen-Magie‹, ›The God of Witchcraft‹ oder ›Liber Null‹ sprangen ihm ins Auge. Auch so mancher bärtige indische Lehrmeister grinste ihm auf einem Buchcover entgegen. Guru oder Sri ›unaussprechlich‹. Ein ausgeglichenes Leben führen … Schwachsinn! Nur einmal ›Star Craft 2‹ spielen und diese Turbanträger hätten gewusst, was echte Erfüllung war! Der Computertisch war der Altar und das Spielen war der Gottesdienst – das war Sams Religion.
    Er nahm ein abgegriffenes Buch vom Ladentisch und überflog den Titel: ›Moonchild‹ von Aleister Crowley. Neben zahlreichen Schminkartikeln und ein paar Plastikspinnen lag ein aufgeschlagener Mondkalender, an dem

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