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Der Narr

Der Narr

Titel: Der Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Papp
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irgendeinem Grund fand er Gefallen an dem Verkleiden.
    »Wieso habe ich mich bloß dazu überreden lassen?«, seufzte Hanni, die mit ihrem Kostüm unglücklich war. Über Jahre hinweg hatte sie sich Mühe gegeben, Geschmack zu zeigen. Stets war sie darauf erpicht gewesen, zu lernen, wie sie ihre Vorzüge hervorheben konnte. Nach all diesen Jahren des Bemühens um ein modisches Auftreten dann ungeschminkt in schwarzen, weit schwingenden Kleidern zu einem Kultplatz spazieren zu müssen, kratzte an ihrer Eitelkeit. Sie hoffte, dass niemand sie erkennen würde.
    »Tarnung ist Teil einer verdeckten Ermittlung«, gab ihr Kollege knurrend zu verstehen.
    »Das meine ich nicht«, gab Hanni zurück. »Ich rede von unserem Alleingang. Hätten wir nicht zumindest ein paar Kollegen einweihen können?«
    Remmel legte ihr die Hand auf die Schulter: »Hanni, du weißt ganz genau, was das letzte Mal geschehen ist. Irgendjemand aus der Truppe informiert Heisenstein. Ich möchte da nichts riskieren.«
    »Und dieser Joe Kratochvil?« , gab sie zu bedenken.
    »Der weiß doch nicht mal, wie wir aussehen.«
    Der Chefinspektor irrte nicht oft, aber selten lag auch er mit seiner Einschätzung falsch, was meist zur Katastrophe führte. Remmel konnte ja nicht ahnen, was sie noch erwartete.

    *

    Die Wicca-Priesterin tänzelte auf Sam zu und reichte ihm die Hand. »Mein Name ist Rowanna«, hauchte sie.
    Sam musterte den Anhänger, der um Rowannas Hals baumelte: »Gardnerian oder Alexandrian?«
    Ihre Mundwinkel erhoben sich und ihre Augen blitzten freudig auf. »Ich bezeichne mich als British Traditional Wicca«, gab sie ihm säuselnd zu verstehen und fuhr sich stolz durchs Haar. »Meine Lehrer stammen ursprünglich aus England. Ich werde heute ein Wicca-Ritual halten.«
    »Was? Du hast gar keinen ›Oath of Secrecy‹ geschworen?«
    Sie starrte Sam verblüfft an und ihre Gesichtszüge wurden ernst. »Es ist gefährlich, wenn wir uns heute immer noch der Öffentlichkeit verschließen. Sonst überlassen wir denen das Feld, die von sich behaupten, Wicca zu sein, nur weil sie sich selbst initiiert haben.« Die Mittvierzigerin seufzte und fuhr fort zu lamentieren: »Eine Initiation in Wicca dauert nicht umsonst mindestens ein Jahr und einen Tag. Ein Coven, das ist der Kreis der Praktizierenden–«
    »Na, dann lass ich mich mal überraschen«, unterbrach Sam sie lächelnd. »Gibt es irgendwas, was man bei diesem Ritual beachten müsste?«
    »Du willst vermutlich wissen, ob wir skyclad, also nackt, feiern werden«, zwinkerte sie ihm zu. »Ich will heute niemanden überfordern.«

    *

    »Wen hast du gesehen?«, fragte Remmel, der zu seiner Kollegin geeilt war, nachdem sie ihm ein eindeutiges Handzeichen gegeben hatte.
    »Barbara Loidl stand gerade neben mir. Wie es aussieht, war Alice nicht die einzige Frau, bei der der Schein trügt«, antwortete seine Kollegin.
    »Warum?«, fragte Remmel.
    »Ich hätte sie fast nicht mehr wiedererkannt. Sie trägt enge Lederkleidung und ihr Gesicht ist geschminkt, als würde sie in den Krieg ziehen. Sie trägt einen Dolch. Wir sollten sie festnehmen.«
    »Nein, halte deine Augen weiter offen! Wir können nur zuschlagen, wenn Gewissheit herrscht. Du weißt ja, nach welchen Leuten du Ausschau halten musst.«

    *

    Auf einer Lichtung eines Mischwaldes hatten sich bereits zahlreiche Menschen unterschiedlichen Alters versammelt. Fast alle Anwesenden waren passend in Leder und Leinen gekleidet. Die wenigen, die sich mit Jeans und bunten Anoraks zum Kult gewagt hatten, standen meist ein wenig abseits und wurden angestarrt.
    Die Asatru-Gruppe, deren Mitglieder unschwer an ihren Thorshämmern zu erkennen waren, formierten sich beim Eingang. Der eine oder andere Recke blickte etwas strenger in die Runde als der Rest der Festbesucher. Schon fast martialisch wurden Anweisungen erteilt: »Der Feldfernsprecher hat beim Kult ausgeschaltet zu sein«, verkündete ein streng dreinblickender Mann. »Jegliches Gehabe, das im Widerspruch zur naturreligiösen Lebensweise und dem Respekt gegenüber den heimatlichen Gefilden steht, ist ebenso zu unterlassen. Weiters ist darauf zu achten, die Kultgewandung ordentlich und die Hauptwaffe griffbereit zu halten.«
    »Wo ist unser Gode?«, unterbrach eine Frau etwas irritiert die Ansprache. »Er sollte ja schon längstens hier eingetroffen sein.«
    »Er gilt seit der gestrigen Wonnemondfeier als vermisst. Es wurden bereits zahlreiche Stromnachrichten versandt. Weder fernmündlich, noch über das

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