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Der Narr

Der Narr

Titel: Der Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Papp
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was mein Problem war.«
    »Es tut mir leid, dass ich dich da reingestoßen habe«, entschuldigte sich auch Minsk.
    »Heute fühlt sich alles anders an«, stellte Sam fest.
    »Der Rausch kann zu unserem Freund oder Feind werden«, sagte Minsk. »In vielen Traditionen ist eine spezielle Ausbildung notwendig, um bewusstseinsverändernde Substanzen nehmen zu dürfen.«
    »Ich weiß, wie ich den wahren Mörder auf dem Fest finden kann. Ich darf aber nicht sofort erkannt werden.«
    »Ich kenne das Leben in einem Zirkus inzwischen mehr als zwanzig Jahre, da lernt man so einiges über Verwandlung«, antwortete der Russe stolz.
    »Aber vorher muss ich noch jemanden anrufen«, meinte Sam entschieden.
    Das erste Mal, seitdem er seine Wohnung in Oberösterreich verlassen hatte, schaltete er sein Handy ein. Bislang hatte er immer höllische Angst davor gehabt, sich mit einem Telefonat ins Verderben zu reiten. Er wählte eine Nummer und es dauerte nicht lange bis er mit der richtigen Person verbunden war: »Chefinspektor Remmel hier!«, brummte der Mann auf der anderen Seite.

Beltaine
    »I am a stag: of seven tines,
    I am a flood: across a plain,
    I am a wind: on a deep lake,
    I am a tear: the Sun lets fall,
    I am a hawk: above the cliff,
    I am a thorn: beneath the nail,
    I am a wonder: among flowers,
    I am a wizard: who but I
    Sets the cool head aflame with smoke?«
    ― Song of Amergin

    Wahre Schätze lagen auf dem Dachboden von Minsks Haus verborgen; exotische Klei dungsstücke, Make-Up und Accessoires für einen kompletten Maskenball. Der Professor erwies sich als wahrer Verwandlungskünstler. Als Sam nach zwei Stunden in den Spiegel blickte, hätte er sich selbst nicht wieder erkannt. Dem Studenten gefielen die langen Haare, die ihm weit über die Schultern herabhingen, auf Anhieb. Die Bikerhose samt Stiefeln, das schwarze Leinenhemd und der graue Wollumhang gaben ein Bild, das sogar Nadja ein Pfeifen entlockte.
    Sam spazierte einige Zeit vor dem Spiegel auf und ab. Es war perfekt. Es fiel ihm mittlerweile schwer, sich in die Welt zurückversetzen, die ein paar Wochen zuvor noch normal für ihn gewesen war.
    »Sie veranstalten ein großes Fest, bei dem viele neuheidnische Gruppen vertreten sein werden: Asatru, Wicca, Chaosmagier und Thelemiten«, sagte Minsk. Es war Beltaine oder Walpurgisnacht, ein ursprünglich keltisches Fest, bei dem die Neuheiden die Vereinigung von Gott und Göttin feierten. In manchen Auslegungen gab es bei den neuheidnischen Gruppen unterschiedliche Meinungen, aber im Grunde waren sich alle einig, dass es ein Fruchtbarkeitsfest war.
    Sam blickte noch ein letztes Mal auf Minsk. Er erkannte Traurigkeit in seinen Augen. Auch wenn der Professor die ganze Zeit über meist fröhlich war, war Sam aufgefallen, dass es Momente gab, in denen er vom Schicksal gebeutelt schien und wehmütig ins Leere starrte.
    Nadja brachte Sam zur S-Bahn. Als die Zeit für den Abschied gekommen war, umarmte sie ihn liebevoll und drückte dem Studenten noch einen Kuss auf die Wange. Sie hatte ihn verzaubert, doch Sam kam nicht umhin, sich um Minsk zu sorgen. »Was betrübt deinen Vater?«, fragte er gerade heraus.
    Seufzend antwortete Nadja: »Es ist nicht so lange her, dass jemand bei ihm war, der wie du sehr ehrgeizig und für ihn vielversprechend war. Leider war ich die letzten Monate unterwegs und lernte diese Person nie kennen. Aber irgendetwas muss wohl mit ihr passiert sein. Doch Vater will nicht darüber sprechen.«
    Die S-Bahn fuhr ein. Er wurde von allen Seiten angestarrt, als er einstieg, aber Sam ließ sich nicht irritieren. Es gab keinen Grund mehr, wegen neugieriger Blicke nervös zu werden. Er reckte sich und machte es sich auf seinem Sitzplatz bequem.
    »Haltestelle - Atzgersdorf-Mauer« – Es war so weit. Kaum war er ausgestiegen, traf er auf die ersten Besucher, die wie er auf dem Weg zum Fest waren. Er sprach eine Frau Mitte vierzig an. Ihr langes, rotblondes Haar hatte sie zu einem Knoten zusammengesteckt. Lächelnd sah sie ihn an. Um ihren Hals blitzte ein Anhänger, der einen Vollmond und zwei weitere Mondphasen zeigte.

    *

    »Also Hanni, vergiss nicht! Ich bin der Druide Meddugnatos und du die Hexe Lorelei.«
    Hanni schüttelte den Kopf. Sie hätte nie im Leben damit gerechnet, ihren Kollegen jemals im weißen, wallenden Leinenhemd und mit einem Wanderstab in der Hand zu sehen. Immer wieder betonte er, wie wichtig die Tarnung bei verdeckten Ermittlungen war, doch Hanni konnte er nicht täuschen: Aus

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