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Der Narr

Der Narr

Titel: Der Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Papp
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vielleicht auch nicht ganz so deine Männlichkeit, wie du es gerne hättest. Ich verstehe ja, dass du die Kellnerin beeindrucken willst, ich würde nur die Wahl der Mittel etwas überdenken.
    Nein, ich wette jetzt sicher nicht mit dir, dass du sie mit dem größten Scheißhaufen, den die Welt je gesehen hat, beeindrucken kannst. Auch dass der Verlierer die Hosen runterlassen, »Bier her!« singen und eine Runde im Entengang watscheln muss, ist für mich keine Option.«
    Natürlich waren raue Sitten für Sam nichts Neues, auch in Hamburg gab es Spelunken und zwielichtige Hafenkneipen. Aber erst bei seinem ersten Kulturschock in Österreich hatte er gelernt, dass sich Gespräche auch tatsächlich stundenlang um Geschlechts- und Ausscheidungsorgane drehen konnten. Manche Länder hatten den Werwolf-Mythos, doch dieser war harmlos verglichen zur Verwandlung des Mühlviertlers, nachdem die Sonne über der Westernbar untergegangen war.
    Um 23:00 Uhr betreten ein paar Leute vom anliegenden Softwarepark die Bar. Bereits sternhagelvoll, aber es geht weiter mit ›Schnapserltrinken‹. Einer der Anwesenden prahlt damit, dass er regelmäßig seine Liebschaften halbtot vögelt, während sein Tischnachbar sich lautstark darüber beschwert, dass ihm ›ein Schurke‹ beim letzten Grillfest in die Regentonne gepinkelt hat.
    Um 00:00 Uhr Anruf von Horsts Freundin; der Kumpane bricht sofort auf. Der Glückliche teilt sich ein Zimmer mit ihr im Studentenheim. Sam war vor ein paar Monaten dort rausgeflogen und musste in den Nachbarort übersiedeln. Also ab zum Auto!
    Die Erinnerung: Er war am Nachmittag bereits von Pregarten bis nach Hagenberg marschiert, um eine Autofahrt zu später Stunde zu verhindern. Die Karre stand daheim.
    Endlich nach einem langen Marsch an der Kreuzung nach Linz und Pregarten angekommen. Quietschende Reifen, ein Auto bleibt stehen. Ein bärtiges Gesicht. Ob er wisse, wo man noch etwas zu trinken bekommen könnte. Die Biervorräte beim Fest seien ausgegangen. Kurz darauf: Sam sitzt bei wildfremden Menschen und unterhält sich prächtig. Er dirigiert den Fahrer zur Tankstelle. Mit drei Kisten Bier im Auto geht es dann weiter zum Fest.
    Seltsame Menschen im Auto. Lange Haare, Fetzen statt Klamotten. Einer trägt sogar eine Leinenmütze in Keilform – freiwillig, wie sich herausstellt. Der nächste bedeckt sein Haupt, passend zu seinem wuchernden Bart und wirrem Blick, mit einer flachen Kopfbedeckung: Ein Pilzkopf in Leder, der zugleich die Ohren verdeckt. Aus dem Radio dröhnt Dudelsackmusik.
    »In Extremo!« - »Stimmt, ein wenig extrem sind sie schon …« - »Nein, so heißt die Band!« - »Ich bin Sam, und du? Was? Steinolf von Aue, klingt interessant. Und du? Azzo, wirklich? So hieß auch mein Hund. Ah, Entschuldigung! Wusste nicht, dass ihr so stolz auf eure Künstlernamen seid. Wirklich, war nicht so gemeint. Azzo und Steinolf sind sicher respektable Namen.« Auf die Lippen beißen, um den bärtigen, grimmig dreinblickenden Mann mit dem keilförmigen Leinenmützerl nicht weiter zu beleidigen.
    Am Fest geht es weiter mit Dudelsackmusik. Für Sam die Überraschung des Tages: Die machen diese Musik auch selber. Lauter zottelige Männer und Frauen, die in Lumpen oder Leinensäcken herumlaufen. Erste Lektion: Man erspart sich Zoff, wenn man diese Form der Kleidung als ›mittelalterlich gewandet‹ bezeichnet. Vorbei an einzelnen Ständen, die durch Fackeln beleuchtet werden, geht es ins Zentrum des Festplatzes zum Lagerfeuer.
    Ob eingeladen oder nicht, Sam quetscht sich zwischen ein äußerst gutaussehendes Burgfräulein und einem gelockten Schönling auf eines der Felle vor dem Lagerfeuer. Dabei wird er ein paar Mal zurechtgewiesen, nicht mit den Straßenschuhen auf der ausgelegten Sitzunterlage herum zu trampeln. Auch dass er nach dieser Standpauke lautstark ›einen fahren lässt‹, trägt nicht zu seiner Beliebtheit bei. Mit dem Feuerzeug, das neben ihm liegt, öffnet er gekonnt sein Bier und schnippt dabei den Deckel ins Feuer, während ihn alle fassungslos anstarren. Es dauert nicht lange, bis seine Sitznachbarn angewidert aufstehen.
    Peinliche Stille macht sich breit. Um die offensichtlich langweilige Runde etwas aufzulockern, wird jeder im Kreis angesprochen. Ob sie Apple- oder Android-Fans sind? Sam erhält keine Antwort. Worüber spricht man mit Leuten, die die IT-Welt nicht verstehen? ›Herr der Ringe‹ scheint passend zu sein: Kann man aufgrund des Menschenschlags in einer Region auf ein

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