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Der Nebel weicht

Der Nebel weicht

Titel: Der Nebel weicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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vermutlich die städtische Notverwaltung vertrat.
    „Guten Tag, meine Herren, ich begrüße Sie.“ Rossman bediente sich der altmodischen Form von Höflichkeit, die lächerlich gewirkt hätte, wäre sie nicht ein so offensichtlich verzweifelter Versuch gewesen, sich an etwas zu klammern, das real war. „Bitte, nehmen Sie Platz.“ Es schienen alle anwesend zu sein, denn Rossman ging direkt zur Geschäftsordnung über.
    „Ich komme soeben aus Washington. Ich habe Sie zusammengerufen, weil ich einen Gedanken- und Informationsaustausch für dringend erforderlich halte. Sie werden den allgemeinen Überblick zu schätzen wissen, den ich Ihnen geben kann, und ich werde mich zweifellos besser fühlen, wenn ich weiß, welche wissenschaftlichen Erklärungen Sie ausgearbeitet haben. Zusammen sind wir vielleicht in der Lage, vernünftig zu planen.“
    „Was die Erklärungen betrifft“, sagte Lewis, „so sind wir hier im Institut ziemlich einstimmig der Meinung, daß Dr. Corinths Theorie die richtige ist. Sie postuliert ein Kraftfeld von teilweise elektromagnetischem Charakter, das durch gyromagnetische Abläufe in Atomkernen erzeugt wird, die sich in der Nähe des Mittelpunkts der Galaxis befinden. Es breitet sich in Form eines Kegels aus, der in unserem Raumsektor bereits einen Durchmesser von vielen Lichtjahren besitzt. Seine Wirkung besteht darin, gewisse elektromagnetische und elektrochemische Prozesse zu hemmen, unter denen die Funktion bestimmter Neuronentypen die wichtigste ist. Wir nehmen an, daß das Sonnensystem in seiner Bahn um das galaktische Zentrum vor vielen Millionen Jahren in dieses Kraftfeld eingetreten ist – nicht viel später als zur Kreidezeit. Zweifellos sind zahlreiche Tierarten jener Zeit ausgestorben. Nichtsdestotrotz existierte das Leben als Ganzes weiter – angepaßte Nervensysteme kompensierten die Hemmung durch größere Effizienz. Kurz gesagt: Sämtliche Lebensformen heutzutage sind – oder waren unmittelbar vor der Veränderung – ungefähr so intelligent, wie sie es sowieso gewesen wären.“
    „Ich verstehe“, Rossman nickte. „Und dann trat die Sonne mit ihren Planeten aus dem Kraftfeld.“
    „Ja. Das Feld muß – wie in der Astrophysik üblich – ziemlich scharf begrenzt sein, denn die Veränderung spielte sich innerhalb weniger Tage ab. Der Randbereich des Feldes – von dem Gebiet stärkster Intensität bis zu der Region, in der es wirkungslos ist – ist wahrscheinlich nur 15 Millionen Kilometer breit. Wir haben es jetzt eindeutig verlassen; die physikalischen Konstanten sind seit einigen Tagen unverändert geblieben.“
    „Aber nicht unser Verstand“, sagte Mandelbaum nüchtern.
    „Ich weiß“, unterbrach Lewis ihn. „Darauf werden wir gleich kommen. Als die Erde das Hemmungsfeld verließ, zeigte sich als allgemeiner Effekt natürlich der plötzliche Anstieg von Intelligenz bei jeder Lebensform, die ein Gehirn besitzt. Plötzlich war die dämpfende Kraft, auf die jeder lebende Organismus eingestellt war, verschwunden.
    Natürlich hat das Fehlen dieser Kraft ein gewaltiges Ungleichgewicht heraufbeschworen. Die Nervensysteme zeigten eine Tendenz, außer Kontrolle zu geraten, als sie versuchten, sich zu stabilisieren und auf neuem, höherem Niveau zu arbeiten; das ist der Grund, warum jeder anfangs so unruhig, nervös und ängstlich war. Der physische Aufbau des Gehirns ist an eine Geschwindigkeit – oder vielmehr eine Gruppe – von Geschwindigkeiten der Neuronensignale angepaßt; jetzt wird die Geschwindigkeit plötzlich erhöht, während die physische Struktur die gleiche bleibt. Kurz gesagt, es wird einige Zeit dauern, bis wir uns daran gewöhnt haben.“
    „Warum sind wir nicht tot?“ fragte Grahovitch, der Chemiker. „Ich könnte mir denken, daß unsere Herzen und so weiter anfangen, wie verrückt zu arbeiten.“
    „Das autonome Nervensystem wurde relativ schwach beeinflußt“, sagte Lewis. „Es scheint vom Zellentyp abzuhängen; es gibt viele verschiedene Arten von Nervenzellen, wissen Sie, und anscheinend haben nur diejenigen im Zerebralkortex stark auf die Veränderung reagiert. Selbst dort hat sich die Leistungsrate nicht wirklich sehr erhöht – der Faktor ist klein –, aber offensichtlich sind die mit dem Bewußtsein zusammenhängenden Prozesse so sensitiv, daß es ein gewaltiger Unterschied für das bedeutet, was wir Denken nennen.“
    „Aber wir werden am Leben bleiben?“
    „O ja, ich bin sicher, daß es zu keinen physischen Schäden kommen

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