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Der neue Daniel

Titel: Der neue Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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kurioses Paar‹, beschloß man, machte sich zwei Sekunden lang konfuse Gedanken und kam zu keinem Resultat. Die Neugier erlahmte schließlich in der animalischen Sommerfaulheit, der sich diese abgehetzten Menschen auf Schaukelstühlen oder in Automobilen hingaben.
    Wen gab es, dort auf der Veranda, denn eigentlich?! – Auf der kleinen Bühne, der kümmerlich verkürzten Schein-Welt; der Zielscheibe zweier einsamer Augenpaare? –
    Dort stand wie immer der alte Duffy, der ergraute, beleibte Ire mit stilvollem Steingesicht, der stets am Tisch präsidierte und selten redete, dafür aber erstaunlicher Weise beim Essen Worcestersauce mit Wasser in sich hineinzupumpen pflegte. Man erzählte sich, daß sich auf seinem Zimmer die leeren Whiskyflaschen im Schrank aneinander reihten und daß er die Dauer seines Aufenthaltes an ihnen nachzählte. Er stand stundenlang und starrte, an einer Zigarre kauend, ins Leere. Zuweilen auch machte er das horizontal ab, indem er sich in eine Hängematte unter dasDach eines Pavillons legte und sich vom Wind das erhitzte Gesicht fächeln ließ.
    Dieser alte Grundstücksspekulant wurde »Uncle« genannt, und seine Haupttugend bestand in einer guten Hand beim Poker. Sonst gestattete er, daß eine kleine, schwindsüchtige Jüdin, die sich Belladonna in die Augen tat und für Skandalverbreitung sorgte, zuweilen auf seinem Schoß umherwippte, so wie etwa ein Gassenjunge sich auf den Pranken einer Sphinx vergnügen mag ... Man hatte das Gefühl, daß Mr. Duffy eines Tages von einem Schlaganfall gefällt werden würde wie ein mächtiger, unterhöhlter Baum, den ein Blitz zu Boden knirschen läßt ohne Aufhebens, ohne Zeitverlust und im selben rechten Winkel, der ihm seit Alters so behagt...
    Dort war eine Frau, die in versteckten Winkeln oder auf ihrem Zimmer stark rauchte (was ihre braunen Zähne und Fingernägel der Sonne kundgaben). Sie sprach unablässig von ihrem verstorbenen Mann und nährte träge Rachegelüste gegen die Herbergsmutter, der sie denn auch ihre kleine Bulldogge vergiftete (soweit man dem Gerücht Glauben schenken durfte). Sie war sehr affektiert und mannstoll, trug einen aschblonden Seitenscheitel und malte sich die Wimpern über großen grauen Augen schwarz. Eine Eigenheit von ihr war die Pietät, mit der sie an dem unausgelüfteten Schlafrock ihres Verewigten hing; sie schleppte diese Hülle überall mit sich herum und legte sie sogar in empfindsamen Momenten selbst an...Weiter gab es noch drei typische Amerikanerinnen; Frauen ausgemergelter Bureauvorstände. Diese Gatten machten zuweilen eilige Visiten, redeten die Damen aber von ihren Männern, – (was sie selten der Mühe für wert hielten; vielleicht nur dann, wenn das halbe Salair der tristen Arbeitstiere ihnen anheim gefallen –) – so gebrauchten sie den Ausdruck »Daddy« und erschienen flüchtig gerührt von solch' gespensterhaftem Anschein von Familienfreuden... Kinder versagten sie sich, da ein Schaukelstuhldasein, bei dem man nichts tut wie überreiche Verdauung zu regulieren, viel mehr Kraft und Ausdauer erfordert als Gebär- und Erziehungstätigkeit.
    Es gab auch einen ältlichen Impresario für Kabarettsänger, der Privatengagements vermittelte; klein, gut gekleidet, rasselos und leidlich amüsant, weshalb er auch oft in den Verdacht kam, von Europa angekränkelt zu sein und halb zu Unrecht in eine Kategorie mit Erwin und Mildred verwiesen wurde. Dieser Mann, trotz lebemannhafter Munterkeit, die vom Pflaster der 44. Straße stammte, litt, und hatte seine Last zu schleppen, seinen Stempel: in Gestalt einer sabbelnden, unappetitlichen, rabiat antideutschen Frau, die nur während eines Gewitters etwa weich genug wurde, um sich seiner Hilfe und seines moralischen Beistandes flüchtig zu bedienen; sonst quälte sie ihn wie ein Alpdruck.
    Ein Mann war da, aus Profession stark, mit kleinen Füßen und Händen und einer Herzerweiterung.Er bereiste mit einer Varietétruppe den Hudson; und wenn man die Bilder betrachtete, die er bei Gelegenheit für einen Dollar das Stück absetzte, so merkte man dem Athleten das melancholische Bedürfnis an, mit Kunst in Kontakt zu kommen. Etwa dadurch, daß er auf diesen Bildern weißgetüncht »klassische« Akte auf schwarzem Hintergrunde schuf ... Hier jedoch in der grellen Verandabeleuchtung, unter diesen Sommergästen, wirkte er nichts weniger als klassisch.
    Außer diesen fielen noch einige junge Weiber auf: » Chickens «; (die landesübliche Bezeichnung machte Mildred sich

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