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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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dir die Hjjks ein völliges Rätsel sind!«
    »Vielleicht wird Nialli…«
    »Ja, Nialli. Ich habe ihr befohlen, mit dem Gesandten zu sprechen und mir alles zu hinterbringen, was sie herausfinden kann. Aber wird sie das auch tun? Was glaubst du? Wer könnte das sagen? Sie verbirgt sich hinter einer Maske, dieses dein Kind. Sie ist noch viel rätselhafter als die Hjjks selber!«
    »Nialli ist ein schwieriger Mensch, zugegeben. Aber ich bin überzeugt, daß sie uns in dieser Sache enorm helfen wird.«
    »Möglich«, sagte Taniane, aber es klang nicht sehr überzeugt.
     Im Stadtzentrum: die vertrauten Bereiche des Hauses des Wissens. Ein guter Zufluchtsort an einem schwierigen Tag. Hresh stieß in einem der Erdgeschoßlabors auf seine Assistenten, Chupitain Stuld und Plor Killivash, die über einigen Fragmenten brüteten. Sein Erscheinen überraschte sie. »Wirst du denn heute hier arbeiten?« fragte Plor. »Wir haben geglaubt…«
    »Nein. Ich arbeite heute nicht«, sagte Hresh. »Ich will bloß hier sein. Oben. Und ich möchte nicht gestört werden.«
    Das Haus des Wissens war ein schlanker weißer Turm wie ein Speer; kaum einen Steinwurf im Durchmesser, aber viele Stockwerke hoch. Überhaupt das höchste Bauwerk in der Stadt. In den engen Rundgalerien hatte Hresh die Früchte lebenslanger Forschungsarbeit niedergelegt, und sie stiegen nach oben zu immer schmaler werdend wie eine große, sich an die Innenwandung des Turmes schmiegende Schlange empor. Auf der Spitze umgab eine Schutzwehr einen obersten Umgang, der so wie ein hocherhabener Balkon war. Von dort aus vermochte Hresh fast in jeden Winkel der großen Stadt zu blicken, die er geträumt und geplant und schließlich verwirklicht hatte.
    Es wehte ein warmer Wind träge herein. Hresh hielt in seiner Rechten eine kleine silbrige Kugel, die er vor langer Zeit in den Ruinen von Vengiboneeza gefunden hatte. Mit ihrer Hilfe hatte er einstmals Visionen der vergangenen Hochzeiten der Großen Welt heraufbeschwören können. In der linken Hand ruhte ein ähnlicher, aber goldenbronzefarbener Ball. Es war das Zentralkontrollinstrument für die Großwelt-Baumaschinen, die er benutzt hatte, um Dawinno an einem Ort zu bauen, an dem es vordem nichts weiter gab als Sümpfe und Marschen und tropischen Wald.
    Sowohl die silbrige wie die goldbronzene Kugel waren seit langem leergebrannt. Sie waren für Hresh – und jeden sonst – wertlos geworden. Durch ihre durchlässige Hülle konnte Hresh den blinkenden Quecksilberkern und die schwärzlichen Korrosionsflecken erkennen.
    Er hielt die zwei toten Instrumente in Händen, und Großweltgedanken tauchten in seinem Gehirn auf. Ein heftiger Neid auf die Angehörigen jener verschwundenen Ära überkam ihn. Wie gefestigt ihre Welt gewesen sein mußte, wie geruhsam und heiter! Die unterschiedlichen Teile jener grandiosen Zivilisation hatten ineinandergegriffen wie das Räderwerk eines von den Göttern entworfenen Instrumentes. Saphiräugige und Menschliche, Hjjks und Seelords, Vegetabilische und Mechanische – sie alle hatten harmonisch und vereint zusammengelebt, und es war Zwietracht unter ihnen unbekannt. Ganz gewiß, dies mußte das allerseligste Zeitalter gewesen sein, das der Welt jemals beschert gewesen war.
    Dennoch war da ein Paradoxon; denn die Große Welt war zum Untergang bestimmt, und ihre Völker hatten im Bewußtsein des drohenden Untergangs Millionen Jahre lang weitergelebt. Aber – wie konnten sie dabei glücklich sein?
    Na ja, dachte Hresh, eine Million Jahre, das ist ja ganz schön lange. Die Leute in der Großen Welt müssen ja eigentlich eine Menge Spaß gehabt haben – unterwegs zu dem unausweichlichen Untergang. Dagegen besitzt unsre Welt die fragwürdige Gefährdetheit des Neugeborenen. Nichts ist noch gesichert, nichts hat feste Fundamente, und wir haben keine Garantie, daß unsere noch unflügge Zivilisation eine Million Stunden, oder auch nur eine Million Minuten dauern wird.
    Düstere Vorstellungen. Er müht sich, sie beiseite zu schieben.
    Von der Brüstung aus schaute er über Dawinno hinaus. Die Nacht begann sich herabzusenken. Die verschwindenden purpurnen und grünen Wirbelschleier des Sonnenuntergangs im westlichen Firmament begannen zu verblassen. In der Stadt flammten da und dort die Lichter auf. Es war eine sehr großartige Stadt, gewiß, soweit man dies von Städten des Neuen Frühlings sagen konnte. Und dennoch, an diesem Abend wirkte alles an ihr irgendwie traumhaft und ungreifbar. Die Bauten,

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