Der neue Frühling
die er so lange für majestätisch gehalten hatte, kamen ihm auf einmal vor, als wären sie weiter nichts als leere Fassaden, über Holzstreben gespannte Kulissen aus Papiermache. Alles nur eine Schein-Stadt, dachte er schließlich niedergeschlagen. Sie hatten in allem nur improvisiert, alles so aussehen lassen, wie sie geglaubt hatten, daß es aussehen müsse. Aber war das auf die richtige Weise geschehen? Hatten sie überhaupt irgend etwas richtig gemacht?
Schluß damit, befiehlt er sich.
Er schloß die Augen, und fast sofort tauchte Vengiboneeza wieder vor ihm auf, das Vengiboneeza aus der Zeit, in der es die lebenspulsierende Metropole der Großen Welt gewesen war. Die gewaltigen schimmernden Türme, die geschäftigen Hafenkais und Werften, die wimmelnden Märkte, und Angehörige von sechs drastisch verschiedenen Rassen, die friedsam nebeneinander lebten; die blitzenden Sternenschiffe, die von fernen Planetensystemen zurückkehrten und Ladungen mit fremdartigen Geschöpfen und unbekannten Gütern brachten… Wie grandios war das alles, wie üppig, wie reich und vielfältig, wie gewaltig die hereinkommenden Ideenströme… der Zufluß an dichterischem, an philosophischem Potential, an Träumen und Planen, an unermeßlicher Vitalität…
Die vielfältige Schönheit überwältigte ihn momentan, wie dies stets der Fall gewesen war. Aber es dauerte nicht, und er fand sich wieder in seiner Trübsal gefangen.
Wie klein wir doch sind, denkt Hresh mit Bitterkeit. Was für einen kläglichen Abklatsch verschwundener Größe haben wir da geschaffen! Und sind noch dermaßen stolz darauf! Dabei haben wir in Wahrheit so wenig getan – wir haben nur nachgeahmt – als die Affen, die wir ja sind. Und nachgeahmt habe wir den Schein, nicht die Substanz. Und auch das könnten wir im kurzen Zittern eines Lidschlags verlieren…
Eine dunkle Nacht heute. Abgründig dunkel. Mond und Gestirne leuchten, wie sie es immer tun. Aber in deinem Innern tiefste Finsternis, nicht wahr, Hresh? Du hast einen Mantel über deine Seele gebreitet. Stolperst in erstarrter Schwärze tapsig umher, wie?
Der Gedanke durchfuhr ihn, er solle die nutzlosen Kugeln über die Brüstung werfen. Doch nein. Nein! So ausgebrannt sie sein mochten, sie konnten noch immer verlorene Welten in seinen Gedanken wachrufen. Sie waren Talismane, genau. Und sie würden ihn aus dieser Trostlosigkeit hinausführen. Er streichelt die seidigglatten Hüllen, und die unendliche Vergangenheit tut sich vor ihm auf. Und schließlich befreit er sich ein wenig aus seinem erdrückenden, erstickenden lautlos schreienden Elendsgefühl, in das er eingetaucht war. Dann kehrt auch bald die rechte Perspektive zurück. Heute, gestern, vorgestern, was bedeutet das schon angesichts des unermeßlichen Bogens der Zeit? Er trägt das Bewußtsein von Millionen Jahren geschichtlicher Vergangenheit in sich: nicht nur der Schichten der Großen Welt, sondern einer noch älteren Welt, von verschwundenen Reichen, vergessenen Königen, ausgestorbenen Geschöpfen; einer Welt, in der es noch kein VOLK gab, nicht einmal die Hjjks oder die Saphiräugigen, sondern nur die Menschen. Und vielleicht könnte es ja davor noch wieder eine andere Welt gegeben haben, auch wenn einem davon das Hirn schwindlig wird. Welten um Welten, und eine jede erwächst und blüht und verfällt und geht zugrunde: So ist eben der Wille der Götter, daß nichts vollkommen sein und nichts für immer und ewig dauern soll. Und was, wenn nicht dies, hätten ihn all seine historischen Forschungen lehren sollen? Eigentlich lag in dieser Erkenntnis auch eine starke Tröstung.
Sein ganzes Leben hindurch hatte er die Welt in sich hineingefressen, ihre bestürzenden Wunder hungrig aufgesogen. Als er noch klein war, hatten sie ihm den Spitznamen ‚Hresh-der-ewige-Fragegeist’ gegeben. In hahnenstolzer Überheblichkeit hatte er sich später umbenannt – zu ‚Hresh-der-die-Antwort-weiß’. Auch dies traf zu. Aber der Kindheitsname war dennoch der Wahrheit näher gewesen. In jeder Antwort verborgen liegt bereits die nächste Frage und bohrt und drängt.
Seine Gedanken schweifen zurück zu seinem achten Lebensjahr, zu einem Tag in der Zeit vor der ‚Zeit des Auszugs’, als er sich durch die Luke des Kokons geschlichen hatte, um zu sehen, was da draußen war.
Wohin war dieser Knabe jetzt entschwunden? Nun, er war noch immer da. Ein wenig abgeschabt und zerschlissen zwar, aber immer noch Hresh, der unentwegt fragt. Torlyri, die
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