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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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ja.«
    »Gut. Sehr gut. Was du mir grad erzählt hast, wird sehr nützlich sein.« Er ließ sich wieder auf seinen Stuhl fallen, saß eine Weile vollkommen still da und wartete, bis sich der Stress dieses Morgens verflüchtigt hatte. Schließlich sprach er: »Es ist dir doch klar, daß ich dich zu einer anderen Wache einteilen muß, um sie zufriedenzustellen. Das ist dir natürlich spinnenfurzegal. Und wenn du ihr auf der Straße begegnen solltest, dann sei um Yissou willen demütig und tief respektvoll. Verneige dich vor ihr, schlag die Heiligen Zeichen, knie hin und küsse ihr die Zehen, wenn nötig. Nein, das lieber doch nicht. Küsse sie nirgendwohin. Aber zeige Respekt. Du hast sie tödlich beleidigt, und sie hat Macht über uns, und das müssen wir berücksichtigen.« Curabayn grinste. »Aber jetzt, jetzt glaube ich, auch ich habe ein bißchen Macht über sie. Und das dank dir, du blöder geiler Bock.«
    »Möchtest du mir das erklären, Bruder?«
    »Nein. Verdrück dich jetzt von hier! Und sei in Zukunft zurückhaltender bei hochgestellten Weibern. Steck deinen Schwanz sonstwo rein, Kleiner. Denk immer dran, wer und was du bist.«
    »Aber ins Gesicht hätte sie mir nicht spucken müssen, Bruder«, sagte Eluthayn trotzig.
    »Weiß ich, Junge. Aber sie ist eben was Besseres, und die denken eben anders über sowas.« Er machte scheuchende Handbewegungen vor dem Gesicht seines Bruders. »Also, verschwinde jetzt, Eluthayn. Verzieh dich!«
    Das Landschaftsbild änderte sich immer wieder auf Thu-Kimnibols Nordlandfahrt zur Stadt Yissou. Inzwischen zog die Karawane durch weite für die westlichen Seewinde offene Ebenen, die Luft war feucht und salzig, und an jedem Strauch und Busch hingen blaugrüne Schuppenmoosbärte. Und dann wieder führte die Straße durch breite, flache totenstille Trockentäler im Schutz von kahlen steilen Bergketten zur See hin, und auf der sandigen Erde lagen die bleichenden Schädel unbekannter Tiere. Dann drangen die Fahrenden in bewaldetes Hochland vor, wo sich verkrümmte blattlose Bäume mit fahlen spiraligen Stämmen an gefährlich steil überhängende Vorsprünge von schwarzer Erde klammerten; und aus dem noch höheren Land im Osten hörte man fremdartiges Geheul und Pfeifen herabwehen.
    Mit Betroffenheit spürte er in sich ein tiefes Bewußtsein wachsen: für die gewaltige Weite der Welt, für die Größe und das Gewicht der unermeßlichen Kugel, über deren Oberfläche er, Thu-Kimnibol, dahinkroch.
    Ihm war, als zöge jede Handbreit Erde, die er beschritt, in sein Inneres ein und werde Teil von ihm: als schlinge er sie in sich hinein, verzehrte sie und machte sie sich für alle künftige Zeit zu eigen. Dies trieb ihn nur um so heftiger vorwärts und weiter voran über das Antlitz der Erde. Er erkannte, daß er sich in diesem Punkt von dem Rest des VOLKS unterschied, den Alten, die noch im Stammeskokon geboren waren und die, wie er argwöhnte, immer noch heimlich den Drang verspürten, sich zurück an einen engen, warmen, sicheren Ort zu verkriechen und die Luke hinter sich zu versiegeln. Aber nicht so er. Nein, er nicht! Mehr als wohl jemals zuvor und tiefer begriff er nun diesen Hunger in seinem Bruder Hresh: zu wissen, zu entdecken, zu durchschauen.
    Er war bereits einmal durch diese Landstriche gezogen. Damals war er achtzehn und auf der Flucht nach Süden von Yissou nach Dawinno. Aber er hatte nur noch schwache Erinnerungen an diese frühere Fahrt. Die meiste Zeit war er in vollem Galopp geritten, den Kopf über den Hals seines Xlendi gebeugt, von Wut und bitterem Gram vorangehetzt. Dieser erbarmungslose, wuterfüllte Ritt ruhte in seinem Gedächtnis jetzt, über zwei Dekaden später, nur mehr als ein harter verkapselter Knoten, der allerdings immer noch schmerzte, wenn man ihn drückte – wie die Erinnerung an einen schrecklichen Verlust oder an eine tödliche Krankheit, die man nur unter schwerer seelischer Belastung überstand. Er rührte an dies alles nicht mehr, als unumgänglich war.
    Inzwischen hatten sie die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht und fuhren durch Tributarländer Salamans. Thu-Kimnibols Laune war in diesen Tagen meist umdüstert. Die Wende war eingetreten, als sie diese Ruine aus der Großen Welt passierten, was Erinnerungen an Naarinta in ihm wachgerufen hatte und diese düsteren unfruchtbaren Gedanken an die ferne Vergangenheit. Nun aber hatten sich die Erinnerungen an die verschwundenen Tage seines persönlichen Lebens lastend über ihn gesenkt: an

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