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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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verloren«, sagte Simthala Honginda. »Den Keim zu diesem Aberwitz mußt du von Hresh aufgeschnappt haben.« Er blickte mit einem angewiderten Ausdruck zu Thu-Kimnibol empor, als wollte er sagen, daß ein dermaßen absurdes Gerede aus dem Munde eines jungen Menschen, dem er Mentor gewesen, ihm höchst peinlich sei (was wohl wirklich der Fall war), und sprach: »Bis zum heutigen Morgen habe ich diesen Jungen für einen unsrer tüchtigsten Beamten gehalten. Aber jetzt sehe ich…«
    »Nein«, unterbrach Thu-Kimnibol mit erhobener Hand. »Was er sagt, ist interessant. Aber es ist wirklich noch zu früh, daß wir uns Gedanken darüber machen sollten, wie wir anderen Geschöpfen das Lesen und Schreiben beibringen«, sagte er lachend zu Pelithhrouk. »Zuerst müssen wir unser Leben besser und sicherer organisieren, ehe wir uns daranmachen können, den Geschöpfen der Wildnis die Zivilisation beizubringen. Vorläufig jedenfalls sind die Caviandis leider noch auf sich selber angewiesen, und vorläufig sind sie Tiere und werden es auch bleiben müssen. Und wenn du mir sagst, auch wir sind Tiere, schön, so mag es so sein. Auch wir sind Tiere. Aber hier und heute gehören wir zu den Fressern, und sie eben zu denen, die gefressen werden, und da liegt der ganze Unterschied.«
    Dumanka war inzwischen heraufgekommen und hatte dem Gespräch mit ausdrucksloser Miene zugehört. Nun warf er die Caviandisleichen Thu-Kimnibol vor die Füße. »Ich geh und mach ein Feuer, Prinz. Wir können in einer halben Stunde schmausen.«
    »Wohlgetan«, sagte Thu-Kimnibol. »Und ein Ende mit dem ganzen Gerede… der Fünffaltigkeit sei Dank!«
    Das Caviandifleisch schmeckte köstlich, o ja. Thu-Kimnibol verzehrte seinen Anteil ohne Skrupel, auch wenn sekundenkurz der Gedanke in ihm aufzuckte, daß Pelithhrouk möglicherweise recht haben könne und daß diese geschmeidigen kleinen Kreaturen, die als Fischjäger an schnellfließenden Gewässern hausten, in Wahrheit vielleicht intelligente Wesen waren, eine gesellschaftliche Organisation besaßen, eine Sprache und Namen und Götter, ja sogar eine eigene Geschichte. Was wußte man schon über sie? Wer vermochte schon zu bestimmen, welche Lebewesen bloße beseelte Tiere, Animalia, waren und welche zu den Intelligenzbegabten gerechnet werden mußten? Er selber jedenfalls nicht. Und so verdrängte er den Gedanken rasch. Allerdings fiel ihm sehr wohl auf, daß Pelithhrouk seine Portion Fleisch unberührt ließ. Er hat immerhin den Mut, zu seinen Überzeugungen zu stehen, dachte Thu-Kimnibol. Das spricht stark für den Jungen.
    Tags darauf ließen sie den Gürtel der Bäche und Marschlande hinter sich und drangen in ein trockeneres Gebiet mit üppigem dunklen Erdreich und Grasmatten vor. In der Dämmerung sahen sie im Norden Laternenbäume wie Leuchttürme aufflammen. Dies war ein gutes Zeichen. Es bedeutete, daß die Karawane sich der Stadt näherte.
    Die Laternenbäume waren von Tausenden von kleinen Vögeln bewohnt, die vermittels farbiger Stellen an Hals und Brust ein kaltes, aber helles Licht auszustrahlen vermochten. Unermüdlich blinkten sie ihre hellen Signale, die über weite Entfernung hin sichtbar waren, die ganze Nacht hindurch in stetigem pulsierenden Rhythmus. Tagsüber verhielt sich das winzige stumpffarbige Federvieh reglos in den Nestern auf. Niemand wußte, warum sie sich diese speziellen Bäume als Wohnsitz wählten. Sobald sie sich jedoch einmal solch eines Baumes bemächtigt hatten, gaben sie ihn anscheinend nie mehr auf. Auf diese Weise wurden die Laternenbäume zu geschätzten nächtlichen Wegzeichen, zu verläßlichen Landmarken und vertrauten Orientierungspunkten für den Reisenden.
    Hinter diesen Laternenbäumenhainen lagen die Farmen von Yissou. Und wie im Hinterland von Dawinno vor vielen Wochen kamen auch hier die Bauern stumpf und mürrisch und stellten sich an ihren Gemarkungssteinen auf, um die vorbeiziehende Karawane anzuglotzen.
    Das Land stieg inzwischen zu der steilen Erhebung im Süden der Stadt an, und dahinter lag dann die Stadt Yissou selbst, behaglich in den Krater gebettet, den der Todesstern geschlagen hatte.
    Sie zogen weiter und dann den äußeren Kraterhang hinauf. Kurz darauf zwang sie der gewaltige schwarze Schutzwall zum Halten, eine Mauer um Yissou, die den ganzen Horizont zu verdecken und sich zu fast unglaublicher Höhe emporzuwölben schien.
    Der Anblick verschlug Thu-Kimnibol den Atem. Das war so ziemlich das Erstaunlichste, was er je zu sehen bekommen

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