Der neue Frühling
Annäherungsversuche?«
»Annäherungsversuche, ja. Sekunden später hätte er mich auch noch angefaßt.«
»Yissou!« rief Curabayn und breitete die Arme aus. »Wie abgrundblöde von dem Jungen! Was für eine Unverschämtheit!« Der Hauptmann der Wache stürzte dermaßen hastig und ungeschickt auf Nialli zu, daß er fast mit dem Helm gegen den von der Decke hängenden Beleuchtungskörper geprallt wäre. »Ich werde mir den Burschen vornehmen, sei dessen versichert, Edle. Ich werde die Sache genau untersuchen, und er wird eine Disziplinarstrafe erhalten. Und ich werde ihn auch zu dir schicken, damit er sich gebührlich entschuldigt. Annäherungen, sagst du? Annäherungen ?«
Ein fast unmerkliches Zucken glitt über ihre Schultern, ein Schaudern des Widerwillens, und ihre Brüste erbebten. Sie wandte den Blick ab. Mit weicherer Stimme als bisher, wie wenn Bekümmerung und Scham die Oberhand über ihren Zorn gewönnen, sagte sie: »Strafe ihn, wie du magst. Ich will keine Entschuldigungen von ihm hören. Ich will ihn nur nie, niemals wieder zu Gesicht kriegen.«
»Aber, ich versichere dir, Edle…«
»Genug! Ich möchte über die Sache wirklich nicht weiter sprechen, Curabayn Bangkea!«
»Zu Befehl, Edle! Ich werde mich um alles kümmern. Ich möchte um alles nicht, daß du dermaßen beleidigt wirst – sei es durch meinen eigenen Bruder oder irgendwen sonst!«
Wurde sie ein wenig nachgiebiger? Zum erstenmal seit ihrem Eintreten lächelte sie dünn, aber immerhin – sie lächelte. Möglich, daß ihr Zorn nun verschwand, nachdem sie gesagt hatte, was zu sagen sie hergekommen war. Curabayn glaubte sogar so etwas wie Dankbarkeit in ihren Augen zu lesen – vielleicht noch etwas mehr. Vielleicht war ja etwas über die Kluft gesprungen, die ihn von ihr schied. Einen ähnlichen Blick hatte er oft in den Augen anderer Frauen erkannt, denen er seinen Beistand und anderes angedient hatte. Er war jetzt ganz sicher, diesen Blick auch hier wieder gesehen zu haben. Er war ein von Grund auf selbstsicherer Mann. Und nun überströmte ihn eine Woge von Selbstgefälligkeit und Selbstsicherheit, ja beinahe von Kühnheit. Wo Brüderchen Eluthayn, der junge, ungehobelte Flaps, gescheitert war, bestanden für ihn doch durchaus Erfolgschancen. Es würde die Erfüllung seiner wildesten Wunschträume sein. Und so griff er ohne Zögern nach Nialli Apuilanas Händen und begann sie zärtlich zu betätscheln.
»Darf ich es wagen, Edle, die unglückselige Tölpelhaftigkeit meines Bruders wieder gutzumachen? Wenn du vielleicht die Güte haben möchtest, mir die Ehre antun, mein Abendessen – mit Wein, selbstverständlich! – mit mir zu teilen… Heute abend oder am morgigen Abend… Ich wollte mich wohl bemühen, dir zu beweisen, daß nicht alle Männer aus dem Hause Bangkea so plump und hirnlos sind…«
»Was?« Nialli schrie fast und riß ihm die Hände fort, als wären seine von Schleim bedeckt. »Fängst du jetzt auch noch an, Curabayn? Seid ihr denn alle verrückt geworden? Du beschuldigst deinen Bruder der Indezenz, und dann befummelst du selber mich mit deinen Händen? Lädst mich zum Abendessen… ein. Erbietest dich, mir zu beweisen – daß… O nein, nein, nein, Wachhauptmann. Nein!« Sie begann zu lachen.
Curabayn starrte sie entsetzt an.
»Muß ich in einem Panzermantel herumlaufen? Muß ich voraussetzen, daß jeder Soldat der Stadtwache zu sabbern anfängt und mich angeilt, sobald ich in seine Reichweite komme?« Ihre Augen waren jetzt wieder kalt wie Flintstein. Und sie sah ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich. Vor ihrer kalten Wut schreckte Curabayn zurück, als stünde er dem Häuptling selbst gegenüber. Ihre Stimme war eisig, als sie sagte: »Sprich mit Husathirn Mueri, wenn du gütig sein willst, über die Angelegenheit mit dem Hausarrest. Und was deinen Bruder angeht, so möchte ich, daß er auf einen anderen Posten versetzt wird, weit weg vom Mueri-Haus. Guten Tag, Curabayn Bangkea!«
Sie stürmte aus dem Raum.
Er saß erstarrt eine Weile da, während seine Rute erschlaffte. Lange brütete er dumpf darüber nach, wieso er dermaßen schamlos hatte sein können. Wie konnte ich bloß so idiotisch sein, grübelte er.
Auch wenn sie hier angetanzt kam, mit nichts weiter am Leib als Bändern und einer Schärpe. Auch wenn sie dich mit diesem warmen zerschmelzenden Lächeln der Dankbarkeit angestrahlt hat. Aber ihre Zartheit, ihr Duft hatten ihn überwältigt, die Nähe – und seine eigene närrische
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