Der neue Frühling
anzuerkennen. Und verlangte als Gegenleistung nichts weiter als ein wenig Achtung und Respekt, wie sie ihm als dem Sohn des Ersten Königs der Stadt gebührten: angemessene Privilegien, Vorzugsstellung, ein anständiges Palais, ein erhöhter Vorzugsplatz neben Salaman bei offiziellen Staatsfeierlichkeiten.
Dies hatte Salaman ihm gewährt, für einige Zeit. Bis dann der König in seinen mittleren Lebensjahren sich zu verändern begann, bis er immer reizbarer wurde und sein Gemüt unruhig, und er ein neuer umdüsterter Salaman war, bitter und voll Argwohn.
Erst dann gewann der König die Erkenntnis, daß Thu-Kimnibol Ränke wider ihn schmiede. Doch dieser hatte ihm nie einen Anlaß für solche Vermutungen geboten. Vielleicht hatte ja ein Feind dem König Lügenmärchen ins Ohr geflüstert. Wie dem immer, die Beziehung zwischen ihnen verschlechterte sich danach rasch. Es hatte Thu-Kimnibol nicht gestört, daß Salaman ihm seinen eigenen Sohn, Chham, vorzog, denn dies war ja nur natürlich. Dann aber wurde der zweitgeborene Sohn an der königlichen Tafel über ihn gesetzt, und dann auch der dritte, und als Thu-Kimnibol sich eine der Töchter des Königs zur Gefährtin erbat, wurde er abgewiesen; und dem folgten weitere Demütigungen. Er war ein Königssohn; er durfte sich eine bessere Behandlung von Salaman erwarten. Der letzte Zündfunken war dann eine Geringfügigkeit protokollarischer Art gewesen, so unbedeutend, daß Thu-Kimnibol sich heute nicht mehr erinnern konnte, um was es gegangen war. Jedenfalls gerieten sie in lauten Streit darüber, und er bedrohte den König mit der Faust und hätte ihn beinahe geschlagen. Er wußte, dies war sein Ende in der Stadt Yissou. In selbiger Nacht noch floh er und war nie wieder zurückgekehrt.
Zu Simthala Honginda sprach er: »Da schau, Dumanka hat uns etwas fürs Abendmahl erlegt.«
Der Quartiermeister war von seinem Wagen gestiegen und hatte unten, südlich vom Weg, am Ufer eines Baches mit dem Speer ein Tier erbeutet und schickte sich gerade an, ein zweites zu fangen.
Thu-Kimnibol war froh über diese Ablenkung. Das Gespräch hatte eine bedrückende Wendung genommen und alte Erinnerungen an schwierige Zeiten in ihm wachgerufen – und er hatte sich in Widersprüchen verfangen. Er erkannte nun, daß er zwar seinen alten Streit mit Salaman beiseitelegen konnte, daß es ihm aber doch, entgegen allen Beteuerungen, schwerer fallen würde, zu vergeben und zu vergessen.
Er legte die Hand an den Mund und rief: »Was jagst du uns da unten, Dumanka?«
»Caviandis, mein Prinz!« Der Quartiermeister, ein muskulöser, wenig zu Unterwürfigkeit neigender Mann koshmarischer Abstammung, trug einen zerbeulten glanzlosen Benghelm lässig über den Schultern. Er hatte gerade ein zweites Tier erjagt und hielt nun stolz mit beiden Händen die purpur-gelben Körper in die Höhe. Schlaff hingen sie herab, die stämmigen Ärmchen baumelten, und hellrot sickerte das Blut aus ihrem glatten Fell. »Frisches Fleisch – mal ‘ne Abwechslung!«
An Thu-Kimnibols Seite stand Pelithhrouk, ein junger adliger Offizier und Günstling Simthala Hongindas. Er fragte: »Ist es recht, daß wir sie töten? Was meinst du, Prinz?«
»Warum denn nicht? Es sind doch nur Tiere. Fleisch, weiter nichts.«
»Auch wir waren einst nur Tiere«, sagte Pelithhrouk.
Thu-Kimnibol fuhr erstaunt zu ihm herum. »Was sagst du da? Daß wir nicht besser sind als Caviandis?«
»Ganz und gar nicht. Ich meine nur, daß die Caviandis vielleicht mehr sind, als wir glauben.«
»Das ist keck gesprochen«, sagte Simthala Honginda betreten. »Das gefällt mir nicht besonders.«
»Habt ihr je ein Caviandi genau aus der Nähe angesehen?« fragte Pelithhrouk mit einer verzweifelten drängenden Hast. »Ich ja. In ihren Augen leuchtet eine Seele. Ihre Hände sind so menschenhaft wie unsere. Ich glaube, wenn wir mit dem Zweitgesicht ihr Bewußtsein sondieren würden, wir wären überrascht von dem Intelligenzgrad, den wir dort finden würden.«
Simthala Honginda schnaubte: »Ich schließe mich Thu-Kimnibol an, es sind weiter nichts als Tiere.«
Doch Pelithhrouk hatte sich zu weit vorgewagt, um aufzugeben. »Aber intelligente Tiere! Sie warten nur auf die Berührung, den Hauch, um zur nächsten Stufe aufzusteigen, das jedenfalls glaube ich. Statt sie zu jagen und zu verzehren, sollten wir sie mit Achtung behandeln – sie sprechen lehren, vielleicht auch lesen und schreiben, wenn sie dazu fähig sind.«
»Du hast den Verstand
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