Der Neue Frühling
der Außenwelt lösen und weder Hitze noch Kälte wahrnehmen. Ihr könntet nackt durch einen Schneesturm oder eine Wüste gehen, ohne zu frieren oder zu schwitzen.« Natasia nahm einen Schluck Tee und lachte, in ihren dunklen, schräg stehenden Augen lag ein Funkeln. »Frostbeulen und Sonnenbrand würden nach einiger Zeit noch immer zu einem Problem. Nur das Bewusstsein ist richtig entrückt, der Körper weniger.«
Vielleicht war es wirklich einfach, aber eine Woche lang konnte Moiraines Konzentration ihr zu jeder Zeit entgleiten, ob sie nun beim Essen saß oder einen Korridor entlangging, und sie keuchte für gewöhnlich auf, wenn die Kälte sie plötzlich traf und dreimal so schlimm war wie in der Zeit vor der Meditation. In der Öffentlichkeit zog dieses Schnauben die Blicke anderer Schwestern auf sich. Sie hatte große Angst, den Ruf einer Träumerin zu bekommen. Und als ständig Errötende. Unnötig zu erwähnen, dass Siuan den Trick sofort beherrschte und – soweit es Moiraine sah – nie wieder fröstelte.
Das Lichterfest kam, um das Ende des Jahres zu feiern, und zwei Tage lang strahlte in Tar Valon jedes Fenster hell erleuchtet von abends bis morgens. Im Turm der Burg betraten Diener Räume, die seit Jahrhunderten unbenutzt standen, um Lampen zu entzünden und dafür zu sorgen, dass sie zwei ganze Tage lang brannten. Es war ein freudiges Fest, mit Prozessionen, in denen die Bürger Laternen durch die nächtlichen Straßen trugen, und fröhlichen Zusammenkünften, die selbst in den ärmsten Häusern bis zum Sonnenaufgang dauerten, aber es erfüllte Moiraine mit Traurigkeit. Räume, die seit Jahrhunderten unbenutzt standen. Die Anzahl der Aes Sedai in der Weißen Burg nahm immer mehr ab, und sie sah keine Möglichkeit, was man daran hätte ändern können. Aber wenn schon Frauen, die die Stola zweihundert Jahre oder länger trugen, keine Lösung finden konnten, warum sollte dann sie dazu in der Lage sein?
Viele Schwestern erhielten während des Fests reich verzierte Einladungen zu Bällen, und nicht wenige nahmen an. Aes Sedai konnten tanzen wie jede andere Frau. Auch Moiraine erhielt Einladungen von cairhienischen Adligen zweier Dutzend Häuser und von fast genauso vielen Kaufleuten, die reich genug waren, um mit dem Adel zu verkehren. Nur die Pläne des Saals konnten dafür gesorgt haben, dass sich so viele mächtige Cairhiener zur gleichen Zeit in der Stadt aufhielten. Sie warf die steifen weißen Karten unbeantwortet ins Kaminfeuer. Ein gefährlicher Zug beim Daes Dae'mar, da man unmöglich einschätzen konnte, wie das interpretiert werden würde, aber sie spielte das Spiel der Häuser nicht. Sie versteckte sich.
Überraschenderweise wurden die ersten Kleider am ersten Festtag in aller Frühe geliefert. Entweder war Tamore begierig auf ihre Dankbarkeit oder, was wahrscheinlicher war, sie glaubte, sie wollte die Kleider für Feiertagsaktivitäten haben. Sie kam mit zwei Assistentinnen, um zu sehen, ob noch Änderungen nötig waren, aber das waren sie nicht. Tamore beherrschte ihr Handwerk vorzüglich. Das dunkelste der sechs Kleider war etwas dunkler als Himmelblau, und nur zwei waren mit Stickereien versehen, was bedeutete, dass die anderen keine Stickerei aufweisen würden. Sie würde die Wollkleider, die ihr die Ajah gegeben hatte, also noch eine Zeit lang tragen müssen. Wenigstens würden sämtliche Reitkleider dunkel sein. Nicht einmal Tamore konnte es sich leisten, ein zu helles Reitkleid zu liefern. Siuans Kleider, von denen nur eins mit einem Reitrock versehen war, wiesen die ganze Eleganz auf, zu der Tamore fähig war, man konnte sie trotz der Wolle in einem Palast tragen, aber sie betonten ihre Hüften und die Brüste recht deutlich. Siuan tat so, als würde sie es nicht bemerken, vielleicht tat sie es auch tatsächlich nicht. Sie interessierte sich nicht besonders für Garderobe.
Aber einige Dinge waren auch für Siuan nicht einfach. Sie verließ Cetalias Gemächer mit einem Gesicht, das jeden Tag regloser wurde, sie wurde jeden Tag gereizter, weigerte sich aber zu enthüllen, woran das lag, und fauchte Moiraine sogar an, als sie nicht aufhörte, danach zu fragen. Das war beunruhigend; sie konnte an den Fingern einer Hand abzählen, wie oft Siuan in sechs Jahren böse auf sie gewesen war, und hätte sogar noch Finger übrig behalten. An dem Tag, an dem Tamore die Kleider lieferte, besuchte Siuan sie in ihren Gemächern zum Tee, bevor sie zum Essen nach unten gingen, aber statt eine Tasse
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