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Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Titel: Rico, Oskar und der Diebstahlstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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Es war einmal ein Mann, der hatte drei Namen. Der vordere fing mit G an, der mittlere mit W und der letzte mit F. Den vorderen und den hinteren Namen kannte ich. Von dem W in der Mitte hatte ich bis heute nichts gewusst. Ich schaute zu Mama hoch, die mich an der Hand hielt, ein bisschen zu fest und mit schwitzigen Fingern.
    Â»Wofür steht das?«, flüsterte ich.
    Â»Das was?«, flüsterte sie zurück.
    Â»Das W in der Mitte.«
    Sie zuckte die Achseln. »Keine Ahnung.«
    Sie hielt meine Hand noch fester. Seit wir hier draußen standen, ballten sich über uns am Himmel immer mehr und mehr tintenschwarze Wolken zusammen. Das machte Mama nervös. Am Ende von so einem schwarzen Geballe gibt es nämlich meistens ein Gewitter, und für ein Gewitter war sie nicht passend angezogen.
    Für eine Beerdigung auch nicht.
    Ich schaute über graue Grabsteine und bunte Frühlingsblumen hinweg den Hang runter, zu der hohen Backsteinmauer, die den Luisenstädtischen Friedhof zur Bergmannstraße hin begrenzt. Irgendwo hinter dieser Mauer wartete Irina in ihrem Flitzer, um nach der Beerdigung Mama und den Bühl so schnell wie möglich zum Flughafen Schönefeld zu bringen. Eine Woche Urlaub über Pfingsten. Sonderangebot. Sieben Tage Knutschen auf Sri Lanka, ohne Kinder. Dieses Sri Lanka ist eine Palmeninsel irgendwo bei Indien, mit Handtüchern und Getränken von achtzehn bis zweiundzwanzig Uhr für umsonst.
    Das ohne Kinder war ich.
    Â»Schlechtes Timing«, hatte Mama geseufzt, als wir den Termin fürs Begräbnis erfuhren. »Als hätte ich nicht schon genug um die Ohren!«
    Nach ihrer Rückkehr mit dem Bühl vom Knutschen war die Eröffnung von ihrer und Irinas Boutique. Die hatte eigentlich schon vor zwei Wochen stattfinden sollen, aber die Handwerker kamen nicht richtig voran. Jetzt kostete jeder Tag, den die Umbauarbeiten länger dauerten, einen Haufen Geld. Mama hätte gern persönlich überwacht, wie die Handwerker es zu ihrem schönen neuen Ladenfenster rauswarfen, aber dafür hätte sie den Knutschurlaub absagen müssen, der ließ sich nämlich nicht mehr umbuchen, und dann wäre das Geld für das Sonderangebot auch noch futsch gewesen.
    Und nun das Begräbnis, ausgerechnet am Abreisetag.
    Â»Wirklich, verdammt schlechtes Timing.« Mama hatte noch einen Seufzer ausgestoßen, aber dann hatte sie mir einen Kuss auf die Nasenspitze verpasst. »Egal, wir begleiten dich natürlich trotzdem zur Beerdigung, Schatz.«
    Jetzt pappte ihr hellgrünes Sommerkleid vor lauter Aufregungsschwitze an ihr dran wie eine zweite Haut. Das Kleid war superkurz. Vorhin in der Kapelle hatte der Pfarrer erst Mamas Beine und dann Mama selber angeguckt, als wäre sie nicht ganz dicht im Kopf, hier in so einem Fummel aufzukreuzen.
    KAPELLE
: Besteht entweder aus Leuten, die witzige Musik mit Instrumenten machen, oder aus Backsteinen, dann kommt die Musik aus knacksenden Lautsprechern, zum Beispiel Time To Say Goodbye . Das bedeutet Tschüss . Es ist ein sehr schönes Abschiedslied für tote Leute und außerdem zur Hälfte italienisch, genau wie ich.
    Â»Ich weiß, das ist nicht der richtige Aufzug für eine Beerdigung«, hatte Mama vor zwei Stunden gesagt, als sie sich im Bad die Beine rasiert und anschließend Klebchen mit kleinen Muscheln drauf auf ihre Zehennägel gepappt hatte. »Aber ich werde auf keinen Fall bei fünfunddreißig Grad im Schatten in einem schwarzen Kleid auf Sri Lanka einschweben, vielen Dank auch!«
    In Schönefeld wollte sie nicht noch mal alle Koffer öffnen müssen, um sich umzuziehen. Sie hatte schon Ewigkeiten gebraucht, um sich heute Morgen zurechtzumachen. Für die Kälte im Flieger hatte sie ihre gemütliche Strickjacke eingepackt, aber das war’s. Wenn sie in irgendeiner Toilette am Flughafen noch mal komplett von vorn loslegte, würde sie den Flieger verpassen.
    Der Bühl hatte sich weniger Sorgen gemacht. Er trug einen schicken Sommeranzug aus leichtem hellgrauem Stoff mit einem weißen Hemd darunter und dazu noch eine voll coole Sonnenbrille. Seine Hand lag auf meiner Schulter. Ich spürte sie kaum, so leicht war sie, aber ich war froh, dass sie da war. Ich bin nicht so der Beerdigungstyp. Das tiefe Loch vor uns in der Erde machte mir Angst. Es war viel zu duster, der Sarg da unten drin wirkte viel zu klein, und ich hab’s doch nicht gern eng um mich

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