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Der Neue Frühling

Der Neue Frühling

Titel: Der Neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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halten, schon wieder abzureisen. Einer der Wächter am Straßenrand, ein breitschultriger Bannerträger, nickte Steler zu, der zurücknickte, ohne stehen zu bleiben.
    Als die Hufe der Pferde auf der Brücke widerhallten, stockte Moiraine der Atem. Die Brücken selbst waren Wunder, mit Hilfe der Macht erbaut wölbte sich der Steinbogen fast eine Meile weit bis zu dem festen Boden jenseits des sumpfigen Ufers, ohne Stützpfeiler und hoch genug, dass in der Mitte die größten Flussschiffe ungehindert darunter hindurchsegeln konnten. Aber es war nicht das, was sie in seinen Bann schlug. Sie hatte die Stadt verlassen. Die Schwestern hämmerten jeder Novizin ein, dass bereits ein auf die Brücke gesetzter Fuß einen Ausreißversuch darstellte, was abgesehen von Mord das schlimmste Verbrechen war, das eine Novizin begehen konnte. Das Gleiche galt für Aufgenommene; man schien sie nur nicht daran erinnern zu müssen. Und sie hatte die Stadt verlassen, so frei, als würde sie bereits die Stola tragen. Sie warf den Soldaten einen Blick zu. Nun ja, fast frei.
    Auf dem höchsten Punkt der Brücke, mehr als fünfzig Schritte über dem Fluss, zügelte Steler plötzlich sein Pferd. War er verrückt genug, eine Pause einzulegen, um den Drachenberg zu bewundern, der in der Ferne in die Höhe wuchs und aus dessen zerborstenem Gipfel eine Rauchfahne aufstieg? In ihrer Euphorie hatte sie die Kälte ganz vergessen, aber eine starke Brise fuhr den Alindrelle Erinin entlang, schnitt direkt durch ihren Umhang und erinnerte sie sofort wieder daran. Der Gestank nach verbranntem Holz schien in dieser Brise besonders stark zu sein. Ihr wurde bewusst, dass die Signalhörner verstummt waren. Irgendwie schien die Stille genauso unheilvoll zu sein wie vorher ihr Ruf.
    Dann erblickte sie die Gruppe der Reiter am Fuß der Brücke, es waren neun oder zehn, die die Stadtmauer anstarrten. Warum die Signalhörner verstummt waren, erschien plötzlich nicht mehr so beunruhigend. Die polierten Brustharnische und Helme der Reiter leuchteten wie Silber, und sie alle trugen lange weiße Umhänge, die über die Kruppen ihrer Pferde ausgebreitet waren. Die Quelle zu umarmen erfüllte Moiraine mit Leben und Freude, aber, was im Augenblick viel wichtiger war, es schärfte auch ihre Sicht. Wie sie vermutet hatte, war auf der linken Brustseite eines jeden Umhangs eine flammende goldene Sonne aufgestickt. Kinder des Lichts. Und sie wagten es, auf einer von Tar Valons Brücken den Verkehr zu blockieren? Zwar gab es im Augenblick nur sie, Siuan und die Burgwächter, aber das Prinzip war das Gleiche. Die Tatsache, dass sie, Siuan und die Burgwächter es waren, machte es eigentlich nur noch schlimmer. Das machte es unerträglich.
    »Bannerträger Steler«, sagte sie laut, »man darf Weißmänteln nicht erlauben, dass sie auf die Idee kommen, sie könnten Mitglieder der Burg einschüchtern. Oder Burgwächter. Wir reiten weiter.« Der Narr hatte nicht einmal einen Blick für sie übrig, sondern musterte weiterhin die Weißmäntel. Wenn sie ihm vielleicht mit einem kleinen Strom Luft mal kurz auf den Kopf tippte ...
    »Moiraine!« Siuans Flüstern war leise, aber es enthielt eine gewisse Schärfe.
    Sie sah die Freundin überrascht an. Siuan hatte die Stirn gerunzelt. Woher wusste sie Bescheid? Moiraine hatte doch noch gar nicht angefangen zu weben! Aber sie hatte Recht. Manche Dinge waren einfach nicht erlaubt. Schuldbewusst ließ sie Saidar los und seufzte, als das freudige Frohlocken versickerte. Fröstelnd zog sie den Umhang enger. Als würde das etwas nutzen.
    Schließlich drehten die Weißmäntel um und ritten zurück ins Dorf. Alindaer war ein sehr großes Dorf, beinahe schon eine Stadt, mit zwei- und dreistöckigen Backsteinhäusern mit blauen Ziegeldächern, wie man sehen konnte, wo der Schnee abgefallen war, und eigenen Gasthäusern und Geschäften und Märkten. Die weiße Decke ließ es sauber und friedlich erscheinen. Die Weißmäntel verschwanden einen langen Augenblick lang aus der Sicht. Erst als sie wieder in der Lücke zwischen zwei Gebäuden auf einer Straße in nördlicher Richtung auftauchten, trieb Steler sein Pferd an. Seine behandschuhte Hand ruhte auf dem Schwertgriff, und als sie das letzte Stück der Brücke entlangritten, war sein Kopf in ständiger Bewegung, während er die vor ihnen liegenden Straßen absuchte. Plötzlich war Moiraine sehr dankbar für Steler und seine Männer. Ein Dolch würde gegen den Pfeil eines Weißmantels wenig ausrichten

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