Der Neue Frühling
Augen brennen und brachten sie gelegentlich zum Husten. Dem festen Schuhwerk und den zusätzlichen Strümpfen zum Trotz waren ihre Füße auf dem Ritt ganz kalt geworden; als sie nun in dem zertrampelten Schnee standen, wurden sie sehr schnell eiskalt. Und eine Menge von mindestens hundert Frauen, von denen die meisten Säuglinge auf dem Arm hatten, drängte sich um den Tisch, und sie alle verlangten lautstark, dass man ihre Namen zuerst aufnahm. Die meisten trugen dicke Wollsachen, aber ein halbes Dutzend waren in Seide oder zumindest bestickte Kleider von teurem Schnitt gekleidet, die auf Wohlstand oder adlige Herkunft oder auch beides hindeuteten. Allerdings brüllten sie so laut wie alle anderen. Adlige, die gegen das gemeine Volk anschrien! Murandianer verstanden nicht viel von angebrachtem Benehmen.
Den Helm auf die Hüfte gestützt, brüllte Steler nach Ruhe und dass sich alle in einer Reihe aufstellen sollten, bis sein Gesicht dunkel anlief. Niemand beachtete ihn. Zwei der Wächter machten Anstalten, die Frauen zurückzudrängen, bis eine scharfe Geste des Bannerträgers sie zurückpfiff, und das war auch gut so. So etwas konnte einen Aufruhr verursachen. Moiraine stand auf, um die Wogen zu glätten, dabei war sie sich unsicher, wie sie das bewerkstelligen sollte. Auf ihren Gütern hatte sie sich niemals etwas Vergleichbarem gegenübergesehen, und was das anging, bezweifelte sie, dass dies bei ihren Verwaltern der Fall war, und einem Verwalter gegenüber waren die Leute beträchtlich offener als der Lady des Gutes. Aber Siuan kam ihr zuvor. Sie stieg mit einem Stirnrunzeln auf den Stuhl. Dabei umklammerte sie den Saum ihres Umhangs, als wollte sie verhindern, dass sie mit den Fäusten drohte.
Das Licht Saidars hüllte sie ein, und sie verwebte Luft und Feuer. Es war ein einfaches Gewebe, für das man nur winzige Teile der Macht brauchte, aber als sie sprach, hallte ihre Stimme wie Donner. »Ruhe!« Es war einfach nur ein Befehl, wenn auch beeindruckend vorgebracht, ohne jeden Zorn, aber die überraschten Frauen zuckten zurück und verstummten. Selbst das Klirren der Hämmer auf den Ambossen verstummte. Im ganzen Lager kehrte Stille ein, so dass Moiraine hören konnte, wie die angeschirrten Pferde mit den Hufen stapften. Steler warf Siuan einen beifälligen Blick zu – soweit Moiraine wusste, hielten Bannerträger viel von einem lauten Organ – und den um den Tisch versammelten Frauen eine finstere Miene. Allerdings fingen ein paar Babys lauthals an zu schreien, und als Siuan fortfuhr, tat sie es ohne das Gewebe. Aber mit einer lauten, energischen Stimme, die weit reichte. »Wenn ihr auch nur eine Kupfermünze sehen wollt, stellt ihr euch auf und benehmt euch anständig. Die Weiße Burg gibt sich nicht mit einem Mob aus ungehorsamen Kindern ab. Benehmt euch wie erwachsene Frauen, oder ihr werdet wünschen, ihr hättet es.« Sie nickte einmal, um das zu unterstreichen, dann schaute sie die Menge stirnrunzelnd an, um zu sehen, ob sie ihre Worte verinnerlicht hatte. Sie hatte es.
Während sie vom Stuhl stieg, beeilten sich die Frauen, vor dem Tisch zwei Reihen zu bilden, und so weit Moiraine sehen konnte, geschah es ohne große Drängelei. Die besser gekleideten Frauen standen natürlich vorn, und die Kinder wurden von ihren Dienerinnen getragen, aber auch sie waren sich nicht dafür zu schade, sich böse Blicke zuzuwerfen und um eine bessere Position zu rangeln. Vielleicht waren es Kauffrauen, auch wenn Moiraine sich nicht im mindesten vorstellen konnte, was es hier zu verdienen gab. Sie war einmal Zeugin geworden, wie zwei gut angezogene, scheinbar ehrenhafte Händler aus Murandy mitten auf der Straße eine Schlägerei anfingen, sich die Nasen blutig schlugen und sich in der Gosse wälzten. Trotz der kleinen Rangeleien sprach niemand ein Wort, und die Frauen, deren Kinder schrien, schienen sich die größte Mühe zu geben, sie zu beruhigen. Auf der einen Seite fand sich eine Gruppe aus Mädchen ein, im Alter von vielleicht zehn oder zwölf Jahren, die sich in ihre Umhänge hüllten, auf sie und Siuan zeigten und aufgeregt flüsterten. Sie glaubte, die Worte Aes Sedai hören zu können. Eine andere junge Frau, drei oder vier Jahre älter, etwa in dem Alter, in dem Moiraine nach Tar Valon gekommen war, stand in der Nähe und gab sich alle Mühe, so zu tun, als würde sie sie nicht aufmerksam beobachten. Viele Mädchen träumten davon, zur Aes Sedai zu werden; nur wenige hatten den Mut, den ersten Schritt
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