Der Neue im Sportinternat
richtige Ort für eine romantische Vollmondnacht!« Hakan sieht Leon an. Sein Lächeln verschwindet zaghaft, als würde es wie die Schlussszene bei einem Film ausgeblendet werden. Sanftheit ist in seinem Gesicht, die einer stillen Aufforderung, einer Einladung gleicht. Er betrachtet Leon mit den Augen eines Mannes, der sich vieles vorstellen kann und dennoch zögert. In seinem Blick ist ein Wunsch, den er nicht ausspricht. Aber da ist ein Gefühl!
Leon fühlt sich von Hakans Blick gestreichelt, das ist wie eine Berührung. Er ist verunsichert. Vielleicht trägt sein Wunschdenken ihn davon und lässt ihn Dinge sehen und spüren, die in der Realität nicht wirklich existieren. Die Romantik der Kulisse könnte ihn beeinflussen und seine Wahrnehmung in die Irre führen. Doch da ist eine Hoffnung, eine Zuversicht. Vielleicht gelingt es dem Gefühl, Mut aufzubringen, und es traut sich hervor unter dem Stein, wo es sich versteckt hält aus Angst vor Ablehnung. Es kauert am Boden, verängstigt und einsam, und sehnt sich so sehr danach, aus dem Dunkeln, einem großen Schatten, zu treten, um endlich einen Lichtstrahl zu schöpfen. Lass es Liebe sein!, wünscht Leon und blickt zum Himmel, dann zu Hakan. Er lehnt sich an den Stamm eines altes Baumes. Die hellbraune Rinde hat tiefe Kerben und eine Maserung, die von der Witterung der vielen Jahre stammt. Eine sanfte Windböe weht durch Leons Haar. Seine blauen Augen sind voller Emotion und Erwartung.
Hakan stellt sich vor Leon. Er sieht ihn an. Sekunden vergehen. Mit der Hand streichelt er über Leons Wange. Für einen kurzen Augenblick schließt Leon die Augen und öffnet den Mund einen kleinen Spalt, atmet aus. Eine Befreiung! Hakans Zärtlichkeit kommt plötzlich, obwohl sie schon so lange erwartet wird. Leon schaut Hakan an. Ist das der Moment der Liebe, wenn sich das Universum öffnet und eine neue Welt geboren wird? Ist das der Moment für unruhige Herzen, wenn sie endlich ein Gleichgewicht finden und mehr Licht atmen, als sie brauchen? Ist das der Herzschlag L.O.V.E.?
»In deinen Augen ist der Himmel!«, flüstert Hakan und lässt die Hand auf Leons Wange ruhen.
Leons Augen füllen sich mit Tränen. Er ist glücklich, weil das der schönste Moment seines Lebens ist! Hakan beugt sich zu ihm runter und küsst ihn. Der Kuss lässt Leon schweben. So hat ihn noch niemand geküsst! Hakan nimmt ihn in den Arm, drückt ihn an sich. So nahe ist das Glück noch nie bei Leon gewesen!
»Du bist süß!«, flüstert Hakan.
Leon lächelt und hält sich an Hakan fest. Was immer auch du bist süß zu bedeuten hat, Leon wünscht sich mehr davon! Vielleicht ist das ein Anfang. Vielleicht ein Ende. Möglicherweise ist es das Erkennen einer Notwendigkeit. Metamorphose! Denn denkt nicht auch die Raupe, ihr Leben sei zu Ende, wenn sie sich verpuppt, und stellt im Nachhinein fest, dass sie zum Schmetterling wurde?
Hakan nimmt Leon an die Hand und geht mit ihm zur Burgruine, die teilweise mit Efeu bewachsen ist. Der Burgturm ist teilweise noch vorhanden und begehbar. Überall sind Spuren der Vergangenheit und ebenso der Gegenwart. Am Turmeingang ist ein Pentagramm gezeichnet.
»Geisterbeschwörung und Schwarze Messen!«, grinst Hakan und nimmt das nicht besonders ernst.
»Diejenigen, die den Dreck an die Mauer gemalt haben, wollen vermutlich die Bekanntschaft von Cecilia, der Geköpften, machen!« Leon betrachtet das Pentagramm und fühlt einen Grusel. Manche Dinge braucht er nun wirklich nicht!
»Cecilia, die Geköpfte?«, fragt Hakan.
Leon erzählt ihm die traurige Geschichte. Dabei besichtigen sie weiter die Ruine, und Hakan lässt es immer wieder zum Austausch kleiner Zärtlichkeiten kommen. Als sie den höchsten Punkt am Turm erreichen, der noch begehbar ist, legt Hakan den Arm um Leon und genießt mit ihm den Ausblick.
»Sag mal, bist du schwul?«, fragt Leon und wünscht sich ein Ja. Hakan ist Türke. Soweit Leon weiß, haben Türken ja noch größere Probleme damit.
»Ist das wichtig für dich?« Hakan beantwortet die Frage mit einer Gegenfrage, lächelt dabei liebevoll.
»Ich glaub, ja!«
»Du brauchst eine Definition meiner sexuellen Präferenz, verstehe. Hm. Weißt du, ich glaub, ich liebe Menschen! Das Geschlecht ist nicht so wichtig.« Hakan streichelt über Leons Rücken. Er ahnt, was Leon über ihn denkt: Ein Bisexueller, der sich alle Türen offen hält und sich nicht festlegt. Zweigleisig durchs Leben zu fahren, erhöht die Möglichkeiten. Dem will Hakan eine Absage
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