Der Neue im Sportinternat
erteilen und für Klarheit sorgen. »Wenn ich verliebt bin, gibt es für mich nur den einen Menschen. Ich bin kein sexueller Springer, nicht wenn ich liebe und in einer Beziehung bin!«
»Aber sonst schon, stimmt's?«
»Nicht um jeden Preis! Und du?«
»Schwul! Eindeutige Definition! Das is' 'ne Klarheit, die in mir seit frühester Kindheit is'.«
»Du denkst, jemand wie ich kann sich nie auf ein Geschlecht festlegen, zumindest nicht lange. Hab ich recht?«
»Ja.«
»Kann ich verstehen. Vermutlich würde ich genauso denken, wenn ich du wäre.«
»Das musst du wohl jetzt sagen!« Leon verdeutlicht, dass er sich in Hakans Gedanken reinversetzen kann. Möglicherweise will Hakan bei Leon lediglich etwas erreichen und benutzt dazu Worte wie ein Schlüssel, der eine Tür öffnen soll.
»Du bist hübsch und intelligent. Ich mein das ernst, ich hab eine Schwäche dafür!« Hakan streichelt über Leons Rücken in Richtung Hintern und lässt die Hand in dessen Hosentasche verschwinden. »Einfach ich selbst sein, weil es so sein soll! Das ist mein Streben, und danach richte ich mich aus.«
»Wer mich liebt, der folgt mir!«, lächelt Leon. Mit seinen Worten bekundet er, dass er Hakan versteht und genau durchblickt, was Hakan sagen will.
»Schön gesagt!« Hakan schaut in Leons Augen, fragt mit zärtlicher Stimme: »Folgst du mir?«
Leons Herz wachsen Flügel! Wie sehr hat er sich nach diesem Moment gesehnt. Es fühlt sich an wie ein Erwachen aus einem langen Schlaf, um endlich die Urkraft des Menschen, ein inneres Erblühen, üppig und fast schon verschwenderisch, zu erfahren. Ein Akt der
Schöpfung! Dabei umgarnt ihn Hakans Rhetorik. Hakan nähert sich verbal an und bereitet Leon mit Worten ein Bett aus Rosen!
Mutig und selbstsicher will Leon seine Flügel, sinnliche Schwingen, ausprobieren und damit fliegen! Mit einer innigen Umarmung lässt er Hakan wissen, dass er bereit ist ihm zu folgen! Leon löst sich von seinen Ängsten und all dem, was ihn bisher davon abgehalten hat, er selbst zu sein. Hakan soll zu ihm kommen, in sein Inneres eindringen und seine Seele berühren. Mit der Lauheit seiner Worte und mit losgelöster Zunge will Leon mit Hakan eine Weltreise unternehmen. Er will Hakan fühlen, spüren und in sich aufsaugen. Für eine kleine Weile soll die Welt still stehen, weil in diesem Moment für Leon nichts von Wichtigkeit ist, außer Hakan!
Befahrene eines Sterns - so fühlt Leon, als er mit Hakan die Liebe erfährt. Das ist wie das Erreichen eines anderen Himmels. Befahrene des Sterns bis in alle Ewigkeit!
Die Dämmerung setzt ein. Mit den BMX-Rädern fahren Leon und Hakan auf den Schlosshof. Leon fürchtet, es ist ihm anzusehen, dass er nicht mehr derselbe ist und sich etwas Großes in ihm vollzogen hat. Hakan ist sein Freund, nicht irgendeiner, sondern sein fester! Sein erstes Mal wird Leon nie vergessen. In der alten Burgruine, hoch oben auf dem Turm unter freiem Himmel, hat er seine Unschuld verloren. Wie in einem Film, traumhaft schön! Für Leon war das die Verlobung zweier Herzen. Und nun genießt er die intime Vertrautheit zwischen Hakan und ihm, die sich sogar in den Blicken widerspiegelt! Sie lieben sich nicht im Verborgenen, auch wenn sie sich nicht als Liebespaar zu erkennen geben wollen. Das Internat sowie die Welt des Sports sind nicht die geeigneten Orte dafür. Leon hat das ausführlich mit Hakan besprochen. Hakan will Vorsicht walten lassen, ohne dabei einen Minimalismus an Gefühlen zu leben. Eine junge Liebe wie die von Leon und Hakan braucht Protektion! Eine unsensible und ablehnende Außenwelt kann viel zerstören und Wege versperren, noch bevor man sie eingeschlagen hat. Davon musste Hakan Leon nicht erst überzeugen. Sascha Lamert und David Pragosch sind zwei Beispiele dafür!
»Gehst du allein zur Fleischmütze und holst den Schlüssel für den Fahrradraum?«, bittet Hakan Leon. »Ich schieb die Räder schon mal hin, okay?«
»Okay.« Leon strahlt Hakan an. »Weißt du, worauf ich mich heute besonders freue?«, fragt er und wirkt überglücklich. »Mit dir in einem Bett zu schlafen!«
»Wenn wir zum Schlafen überhaupt Zeit finden!« Hakan grinst und wirkt nicht weniger glücklich. »Ich bin froh, dich gefunden zu haben. Du bist keine Minute zu spät in mein Leben gekommen!« Hakan seufzt. Sein Gesichtsausdruck trübt sich und ist von Melancholie eingefärbt. »Du weißt ja gar nicht ... Geh schnell, bevor ich noch sentimental werde!«
Etwas scheint Hakan zu belasten. Leon
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