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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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allgemeinen Niedergang reagiert, indem sie später heirateten – wenn überhaupt – und weniger Kinder bekamen. Die italienische Geburtenrate gehörte zu den niedrigsten in Westeuropa, und es gab mehr Italiener über sechzig als unter zwanzig: ein demografischer Meilenstein in der Menschheitsgeschichte. Italien, schon jetzt ein Land älterer Menschen, alterte immer rascher. Setzte der gegenwärtige Trend sich ungebrochen fort, würde das Land einen Bevölkerungsrückgang erleben wie seit der Pest nicht mehr.
    Amelia, die älteste Stadt Umbriens, hatte den letztmaligen Auftritt des Schwarzen Todes erlebt – und vermutlich auch alle seiner früheren Auftritte. Die lange vor Beginn unserer Zeitrechnung von Umbrern gegründete Siedlung war von Etruskern, Römern, Goten und Lombarden erobert worden, bevor sie schließlich unter die Herrschaft der Päpste gefallen war. Ihre graubraunen Wälle waren über drei Meter dick, und viele ihrer engen Gassen ließen lediglich Fußgängerverkehr zu. Aber nur wenige Amelier suchten noch Schutz hinter den Wällen. Die meisten wohnten in der neuen Stadt, einem reizlosen Labyrinth aus grauen Wohnblocks und Einkaufszentren aus Stahlbeton, das sich von dem Hügel südlich der Stadt bis ins Tal erstreckte.
    Seine Hauptstraße, die Via Rimembranze, war der Ort, an dem die meisten Amelier ihre reichlich bemessene Freizeit verbrachten. Am Spätnachmittag spazierten sie durch die Gassen und versammelten sich an Straßenecken, wo sie miteinander schwatzten und den Verkehr beobachteten, der talauswärts in Richtung Orvieto rollte. Der geheimnisvolle Bewohner der Villa dei Fiori gehörte zu ihren beliebtesten Gesprächsthemen. Dieser Außenstehende, der im persönlichen Umgang höflich, aber deutlich reserviert war, erregte beträchtliches Misstrauen und nicht wenig Neid. Verstärkt wurden die Gerüchte über seinen Aufenthalt in der Villa durch die Tatsache, dass das Personal sich weigerte, über seine Arbeit zu sprechen. Er hat mit Kunst zu tun, antwortete es auf Nachfragen ausweichend, er will in Ruhe gelassen werden. Einige der älteren Frauen hielten ihn für einen bösen Geist, der aus Amelia vertrieben werden müsse, bevor es zu spät sei. Einige der jüngeren waren heimlich in den Fremden mit den smaragdgrünen Augen verliebt und flirteten schamlos mit ihm, wenn er sich in der Stadt sehen ließ, was selten genug vorkam.
    Zu seinen glühenden Verehrerinnen zählte auch die junge Frau, die in der Pasticceria Massimo über die blitzende Glastheke herrschte. Sie trug die Katzenaugen-Brille einer Bibliothekarin und schien ständig leicht tadelnd zu lächeln. Gabriel bestellte sich einen Cappuccino und ein paar Törtchen, bevor er zu einem Tisch an der Rückwand des Raums ging. Dort saß schon ein rotblonder Mann mit den breiten Schultern eines Ringers. Er gab vor, die hiesige Zeitung zu lesen – doch Gabriel wusste, dass er kaum Italienisch verstand.
    »Was Interessantes, Uzi?«, fragte Gabriel auf Deutsch.
    Uzi Navot starrte Gabriel sekundenlang an, bevor er sich wieder auf seine Zeitung konzentrierte. »Wenn ich richtig gelesen habe, scheint es in Rom eine politische Krise zu geben«, antwortete er in derselben Sprache.
    Gabriel nahm am Tisch Platz. »Der Ministerpräsident ist im Augenblick in einen ziemlich unappetitlichen Finanzskandal verwickelt.«
    »Schon wieder?«
    »Irgendwas mit verdeckten Provisionszahlungen für große Staatsaufträge im Norden. Die Opposition fordert natürlich seinen Rücktritt. Er dagegen beteuert, im Amt bleiben und die Sache durchfechten zu wollen.«
    »Vielleicht wär’s besser, wenn die Kirche weiter das Sagen hätte.«
    »Bist du etwa dafür, den Kirchenstaat wiedereinzuführen?«
    »Lieber ein Papst als ein Ministerpräsident mit Gel im Haar. Er hat Korruption in den Rang einer Kunstform erhoben.«
    »Auch unser letzter Ministerpräsident war moralisch keineswegs einwandfrei.«
    »Stimmt. Aber zum Glück ist es nicht seine Aufgabe, das Land vor seinen Feinden zu schützen. Dafür ist noch immer der King Saul Boulevard zuständig.«
    Der King Saul Boulevard in Tel Aviv war die Adresse des israelischen Auslandsgeheimdiensts. Er hatte einen langen und absichtlich irreführenden Namen, der wenig mit seiner eigentlichen Arbeit zu tun hatte. Für alle, die dort arbeiteten, war er daher einfach »der Dienst«.
    Die junge Frau servierte Gabriel seinen Cappuccino und stellte den Teller mit den Törtchen in die Tischmitte. Navot verzog das Gesicht.
    »Was ist

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