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Der Opal

Der Opal

Titel: Der Opal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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Niederlage!, sang es in ihrem Kopf. Angeschissen! Pam-pam-pam machten ihre Füße. Ihr fielen noch viele andere Dinge auf den letzten zwanzig Metern bis zu der sehr massiven Tür ein: Abstufung, Billigbums, Dünndarm. Ihren Dünndarm hatte sie noch nicht verkauft. Da waren noch Potentiale. »Passage englouti!«, schrie sie, als sie den Passierchip in die dafür vorgesehene Öffnung rammte, japsend und schief an die Tür gelehnt. Sie wäre beinahe gestürzt, als sich die Tür entgegen jeder Hoffnung öffnete. Das Dröhnen war ohrenbetäubend. Und brach plötzlich ab. Sie japste und keuchte. Sie hielt das Geländer so fest gepackt wie nur möglich. Da unten lag ihr Schiff, vorhin noch startbereit, jetzt still. Ein eleganter Fisch von zweihundertzehn Metern Länge. Die glatt polierten Iridiumwände der Box spiegelten die Schuppenbemalung der Außenhaut wider. Jede Schuppe des Fisches trug das Logo: ein lidloses silbernes Auge auf blauschwarzem Grund. Darunter in Neoarabisch der Name ihres Clans: Verzückte Dienste. »Triebwerktest«, sagte eine angenehme Stimme auf kristallklarem Standard.

Freunde
     
    … Es ist das Gefälle der Sterne. Man stelle sich das Universum wie eine große Anzahl Wasserbecken auf unterschiedlichem Niveau vor, und das Wasser fließt durch Röhren von den höher gelegenen Becken zu den tiefer gelegenen. Weit entfernte Teile des Universums können durch diese Röhren miteinander verbunden sein. Wer die Röhren findet, kann sich das Gefälle der Sterne nutzbar machen. Aber die Becken sind nicht voller Wasser, sondern voller Sterne. Man muss die Abflüsse richtig treffen, um von den schäumenden Sternen nicht unter Wasser gedrückt oder zerrissen zu werden. Man muss geschickt sein. Man muss gute Triebwerke haben. In diesen Röhren, diesen Tunneln, sind wir, ein kleines Staubkorn, gemeinsam mit den Sternen auf der Reise. Alles steht still. Dabei legen wir doch ohne Zeitverlust unvorstellbar große Strecken zurück. Im Tunnel ist viel Licht, wegen all der anwesenden Sterne. Sie schauen uns durch die Fenster. Was passiert, wenn man im untersten Becken angekommen ist? Was passiert, wenn man den Abfluss dieses Beckens gefunden hat? Niemand weiß es. Niemand ist je dort gewesen. Meine persönliche Meinung lautet, dass die Sterne dort zerrieben werden wie Sand in der Wüste, dass sie wie Wasser wieder hochgepumpt werden zum höchst gelegenen Becken (in dem auch noch niemand war), und dass sie ihre Reise von neuem beginnen. Manchmal nehmen sie auf dieser Reise Staubkörner wie uns mit. Sterne sind freundliche Wesen. Es ist ihr Gefälle…
     
    Latil war amüsiert. Sie wusste, dass sich viele Schiffe ihre eigenen Gedanken darüber machten, wie das Tunneln funktionierte, aber eine so schöne Theorie wie die der Passage englouti hatte sie noch nie gehört. Als sie all die vielen Worte, die das Terminal in die Luft geblasen hatte, mit den Händen eingefangen und durch die Spiegelscheibe wieder zurück in das Terminalinnere gedrückt hatte (einige der schimmernden Buchstaben schwebten noch in der Luft und ihre Hände waren beschmutzt von silbernem Staub), sah Latil ihr Gesicht. Sie mochte dieses Schiff, ganz im Gegensatz zu ihrem geschwätzigen Lexikon, das sich bisher als glatte Fehlinvestition erwiesen hatte. Sie küsste die Scheibe des Terminals.
     
    »Ereignishorizont«, sagte das Schiff. Die anspringenden Triebwerke ließen den Boden unter Latils Füßen leicht erzittern.
     
    Der Säulenwald in der Kommandozentrale war hell erleuchtet. Latil lief zwischen den Stämmen herum, ohne sich auf irgendeine der angezeigten Informationen zu konzentrieren; das hätte sie nur verrückt gemacht. Sie wusste nicht einmal genau, wie man die Bäume benutzte. Je näher am Stamm eine Information dargestellt wurde, desto wichtiger war sie, je weiter sie nach oben in die Äste stieg, desto kleiner wurde sie dargestellt und desto nebensächlicher schien sie dem Schiff. Die Bäume zeigten Bilder, Texte, spielten Klänge ab, wenn man das wünschte. Einige Felder an den Baumrinden waren taktil. Als sie achtlos einen Finger über das Abbild eines Ozeans gleiten ließ, wurde er nass. Jedenfalls fühlte es sich so an. Eine durchdringende, ozeanische Nässe. Sie setzte sich und lehnte sich mit dem Rücken an einen der Baumstämme.
    »Wer hat dich gebaut?«, fragte Latil und kratzte sich am Fuß. Sie hatte diese Frage schon dreimal gestellt und bisher keine Antwort bekommen.
    »Die Sayakh.«
    Latil zuckte zusammen. Sie hörte auf,

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