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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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gegangen. In einer Schachtel fand ich ein kleines, rotes Buch mit Leineneinband, einen alten, ramponierten und viel benutzten Satz Logarithmentafeln: »Knotts Mathematische Tafeln (vierstellig)«. Der Einband des kleinen Buches war richtiggehend ausgefranst. Und da war auch eine schmale Pappschachtel mit einem hölzernen Rechenschieber darin, dessen Skalen mit aufgeklebtem Papier markiert waren. Ich konnte die winzigen Ziffern kaum erkennen, aber das Plastik des Läufers war gelb und rissig. Ich legte den Rechenschieber wieder in die Schachtel und stellte sie zusammen mit den Logarithmentafeln beiseite, weil ich sie später mit hinunternehmen wollte.
    Ich kroch tiefer in den Dachboden hinein und entdeckte eine Schachtel mit der Aufschrift »Weihnachtsschmuck – Wilmslow, 1958 – Wilmslow, 1959 – Manchester, 1960…« und so weiter, durch die Jahre, bis zum Todesjahr meiner Mutter, wie ich sah. In einer Kiste mit allerlei Krimskrams fand ich zwei Briefmarkenalben und eine halb volle Schachtel mit Ersttagsausgaben, Brettspiele aus Plastik in hässlichen Siebzigerjahre-Boxen – und ein Sammelalbum mit Bildern, Originalzeichnungen, geduldig aus Zeitschriften ausgeschnittene Fotos und Comics, alle auf dickes graues Papier geklebt. Das Album meiner Schwester, aus ihren Kinderjahren. Es war die zusammengestoppelte bildliche Darstellung einer Familienlegende, der Geschichte eines Mädchens namens Regina, von Großvätern und Großtanten erzählt. Angeblich war sie zur Römerzeit in Britannien aufgewachsen und nach dem Niedergang Britanniens nach Rom geflohen. Und wir waren Reginas ferne Nachfahren, hieß es in der Geschichte. Ich hatte sie geglaubt, bis ich etwa zehn gewesen war. Ich legte das Album beiseite; vielleicht würde Gina es gern wieder haben.
    Dann fiel mir eine weitere Schachtel ins Auge. »TV21s« stand auf dem Etikett, und »(George)«. Mit einigem Eifer zerrte ich sie ans Licht und öffnete sie. Im Innern fand ich einen Haufen Comic-Zeitschriften – »TV Century 21, Abenteuer im 21. Jahrhundert – jeden Mittwoch – wöchentlich.« Sie waren ordentlich gestapelt, von einer sehr schmutzigen und brüchigen Nummer eins an abwärts. Die Zeitschrift war nach Gerry Andersons Science-Fiction-Marionetten-Serien in den Sechzigern entstanden – und ein kolossal wichtiger Bestandteil meines jungen Lebens gewesen. Ich hatte gedacht, meine Eltern hätten den ganzen Stapel mit meiner unsicheren jugendlichen Einwilligung verbrannt, als ich ungefähr zwölf gewesen war.
    Ich schlug aufs Geratewohl eine der großformatigen Ausgaben auf. Das abgegriffene Papier war dünn, empfindlich und am Rücken beinahe durchgescheuert. Aber die durchgängig farbigen Comics im Innern waren noch so leuchtend bunt wie 1965. Ich befand mich in Band 19, wo der Kaplan, der Führer der Astraner – Außerirdische, die eine seltsame Ähnlichkeit mit riesigen Geleebonbons aufweisen – im JFK-Stil ermordet wird, und Colonel Steve Zodiac, Kommandant des mächtigen Raumschiffs Fireball XL5, den Auftrag erhält, die Mörder zu finden und einen Raumkrieg abzuwenden.
    »Mike Noble.« Es war Peter; er hatte den Kopf durch die Luke gesteckt.
    »Entschuldige, ich war schon wieder ganz woanders.«
    Er reichte mir einen Becher Tee. »Mein Becher, mein Tee, meine Milch. Ich dachte mir, du nimmst keinen Zucker.«
    »Stimmt. Mike wer?«
    »Noble. Er hat Fireball für TV21 gezeichnet – und später Zero X und Captain Scarlet. Wir mochten ihn immer am liebsten.«
    Wir…? Aber ja, ich erinnerte mich, dass das gemeinsame Interesse an den Anderson-Serien und später an allem, was mit Science Fiction und Weltraum zu tun hatte, ein früher Berührungspunkt zwischen Peter und mir gewesen war, ein Band, das stärker war als meine Abneigung, mit dem Schulspinner in Verbindung gebracht zu werden. »Ich dachte, meine Eltern hätten die alle verbrannt.«
    Peter zuckte die Achseln. »Wenn sie dir gesagt hätten, dass sie hier oben sind, hätten sie dich gar nicht mehr vom Dachboden runtergekriegt. Wie auch immer, vielleicht wollten sie sie dir irgendwann zurückgeben und haben es einfach vergessen.«
    Das sähe Dad ähnlich, dachte ich verdrießlich.
    »Hast du da eine komplette Serie?«
    »Ich glaube schon«, sagte ich unschlüssig. »Ich glaube, ich habe sie bis zum Ende gekauft.«
    »Bis zu welchem Ende?«
    »Hm?«
    Er kletterte ein wenig höher herauf – ich sah, dass er eine Trittleiter mitgebracht hatte –, hockte sich auf den Rand der offenen Luke und ließ

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