Der Pakt der Schwerter: Historischer Roman (German Edition)
Abend durch die Tore in die Stadt einzogen, hatten wir sie fast leer vorgefunden. Nur der Bischof und seine engsten Vertrauten waren zurückgeblieben, um die Reliquien ihres Heiligen, Cuthbert, zu bewachen, die in der Kirche ruhten. Die Stadtbewohner seien in die Wälder geflohen, berichteten sie.
Und trotzdem schwang in der Leichtigkeit unseres Sieges etwas mit, das Lord Robert beunruhigte, und aus diesem Grund hatte er uns fünf und noch einige andere ausgeschickt, nach irgendwelchen Anzeichen des Feindes in der Nähe zu suchen.
»Wir werden weitersuchen«, sagte ich bestimmt. »Ob wir uns die Hoden abfrieren oder nicht.«
In Wirklichkeit glaubte ich nicht, dass wir heute Nacht irgendjemanden finden würden, denn es handelte sich um Menschen, die vermutlich noch nie eine normannische Armee gesehen hatten. Natürlich hätten sie bereits von unserem vernichtenden Schlag bei Hæstinges gegen den Thronräuber gehört, aber mit eigenen Augen gesehen haben konnte es keiner von ihnen. Sie hatten nicht die Gewalt des berittenen Angriffs gespürt, mit dem wir in dieser Schlacht und seither in so vielen anderen den Sieg errungen hatten. Doch jetzt waren wir endlich in voller Stärke gekommen: eine Heerschar von zweitausend Mann, um Anspruch darauf zu erheben, was von Rechts wegen dem König gehörte. Diesmal hatten sie unsere Banner gesehen, unsere Pferde, unsere Kettenhemden, die in der niedrig stehenden Wintersonne glänzten, und sie wussten, dass es hoffungslos war, sich gegen uns zur Wehr zu setzen. Und deshalb waren sie geflohen und hatten uns die Stadt überlassen.
Zumindest machte es diesen Eindruck auf mich. Aber was ich dachte, spielte keine Rolle, denn die Entscheidung hing nicht von mir ab. Sie lag vielmehr in der Hand unseres Gebieters Robert de Commines, seines Zeichens durch Erlass des Königs neuer Earl von Northumbria und damit beauftragt, diese streitsüchtige Provinz zu unterdrücken. Natürlich wussten Eudo und die anderen Bescheid, aber in ihrem müden Zustand war alles, was sie wollten, eine Rast. Wir waren schon so lange unterwegs: Vor fast zwei Wochen hatten wir Lundene verlassen. Zwei Wochen, in denen wir durch Regen- und Graupel- und Schneeschauer geritten und marschiert waren, durch unvertrautes Gelände, durch Schwemmland und über Hügel, die kein Ende zu nehmen schienen.
Wir ritten den Abhang weiter hoch, bis wir die Kuppe erreicht hatten und in jede Richtung über das Land hinwegblicken konnten: auf die bewaldeten Hügel im Norden und die offenen Felder im Süden. Der Mond wurde zum Teil von einer Wolke verdeckt, und ich konnte fast nichts sehen außer ansteigendes und abfallendes Gelände. Gewiss gab es keine Anzeichen für den Schein eines Feuers oder Lanzenspitzen oder sonst etwas, das den Feind verraten hätte. Der Wind schlug gegen meine Wangen, und der Regen ließ nicht nach, obwohl ich weit im Norden und im Osten, in der Nähe der Gegend, wo das Land auf das Deutsche Meer traf, Sterne an einem klaren Himmel funkeln sah, und ich hoffte, dass das Unwetter bald abklingen würde.
Ich brachte mein Pferd Rollo zum Stehen, schwang mich vom Sattel hinunter und klopfte ihm den Hals.
»Wir werden uns hier eine Weile ausruhen«, sagte ich. Ich stieß das Ende meiner Lanze in den aufgeweichten Boden, sodass die Spitze in den Himmel zeigte, während das feuchte Fähnchen unter ihr schlaff den Falken präsentierte, der Lord Roberts Sinnbild war. Ich nahm meinen Schild herunter, der an seinem Ledergurt über meinem Rücken hing, und lehnte ihn an einen Baumstamm. Auf ihm befand sich das gleiche Emblem: ein schwarzes Symbol auf einem weißen Feld – der Vogel im Flug mit ausgestreckten Krallen, als ob er auf seine Beute hinabstieße.
Es gab hier im Umkreis nicht viel zu fouragieren, und deshalb holte ich ein paar Möhren aus meiner Satteltasche und gab sie Rollo. Er war den ganzen Tag klaglos vorangeschritten, und ich hätte ihm gern mehr angeboten, aber im Augenblick war das alles, was ich hatte.
Die anderen sagten nichts, während sie ebenfalls abstiegen und umherzugehen begannen, um sich zu vergewissern, ob ihre Beine sie noch trugen. Eudo rieb sich den unteren Bereich des Rückens – zweifellos hatte er sich durch die lange Zeit im Sattel Kreuzschmerzen zugezogen.
Im Osten begann die Wolkendecke aufzureißen, und ich konnte das silbern gefleckte Band des Wiire erspähen, der sich um die Stadt Dunholm schlängelte. Nach Süden sprang eine schmale Landzunge hervor, auf der die Festung
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