Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
Vom Netzwerk:
können Sie irgendwie beweisen, dass Sie sind, wofür Sie sich ausgeben?«
    Ich zeigte Reichleitner den Sicherheitsausweis für Kairo, den ich am Flughafen erhalten hatte. »Sprechen Sie Englisch?«
    »Ein bisschen.« Reichleitner gab mir den Ausweis zurück.
    »Worum geht es denn nun?«
    »Haben Sie je von dem Massaker im Wald bei Katyn gehört?«, fragte Reichleitner.
    »Natürlich.«
    »Ich war in der Ermittlungsgruppe.«
    »Dann habe ich Ihren Bericht gelesen«, sagte ich und erklärte ihm die Umstände meiner Ernennung zu FDRs Sonderbeauftragtem. »Darüber wollen Sie reden?«
    »Nein. Nicht direkt jedenfalls. Über etwas Ähnliches. Mord im großen Maßstab.«
    »Ach, na, das ist doch mindestens ein paar Zigaretten wert.«
    338

    Ich gab Reichleitner eine Zigarette und zündete sie ihm an, ehe ich ihm das Päckchen hinwarf. Dann setzten wir uns alle drei an den Tisch, als hätten wir vor, eine Runde Karten zu spielen.
    »Ihr Bericht war sehr gründlich«, erklärte ich Reichleitner.
    »Ich bin jedenfalls zum gleichen Schluss gekommen wie Sie.
    Dass die Deutschen in diesem konkreten Fall nicht die Massenmörder sind.«
    »Ihr Deutsch ist sehr gut«, sagte der Major.
    »Das sollte es wohl auch sein. Meine Mutter hat mir immer deutsche Märchen vorgelesen.«
    »Ist sie Deutsche?«
    »In gewisser Weise. Deutschamerikanerin.« Ich steckte mir die Zigarette zwischen die Lippen und lehnte mich zurück, die Hände in den Hosentaschen. »Sie wollten mir doch etwas erzählen, oder?«
    »Der Koffer, den Sie gefunden haben, als Sie mich aus dem Wasser gefischt haben«, sagte Reichleitner zu Deakin. »Wo ist der bitte?«
    Deakin stand auf und rief etwas durch die Türklappe.
    Reichleitner sagte nichts, bis der Koffer offen vor ihm auf dem Tisch lag. Er war leer.
    »Die Kleidungsstücke, die da drin waren, sind in der Wäscherei«, erklärte Deakin.
    »Ja, ich weiß. Das hat mir der Gefreite gesagt. Hätten Sie bitte mal ein Taschenmesser?«
    Diesmal zögerte Deakin.
    Reichleitner schüttelte lächelnd den Kopf. »Ist schon gut, Major. Mein Wort als Offizier. Ich werde damit nicht auf sie losgehen.«
    »Wir haben das Futter schon aufgeschnitten«, sagte Deakin und gab ihm das Messer, das er für seine Pfeife benutzte.
    339

    »Er hat ein doppeltes Futter«, sagte Reichleitner. Er klappte Deakins Messer auf und machte sich damit an dem Lederdeckel zu schaffen. »Außerdem muss man wissen, wo man zu schneiden hat. Das hier ist mit ganz feinem Draht zusammengenäht. Mit einem Schnitt löst man vielleicht das Innenfutter, aber nicht das Leder darunter.«
    Reichleitner brauchte ein paar Minuten, um den Kofferdeckel herauszulösen. Er legte ihn flach auf den Tisch und klappte ihn dann auf wie eine große Mappe. Zum Vorschein kam eine wasserdichte Verpackung, die mehrere dünne Papierstapel und ein Filmröllchen enthielt.
    »Sehr clever«, sagte Deakin.
    »Nein«, sagte Reichleitner. »Sie waren nur nicht sorgfältig genug.« Er machte aus den kleinen Papierstapeln einen einzigen Stoß und schob dann die Dokumente zu mir hinüber.
    »Nach Katyn«, sagte er, »war das die nächste Ermittlung.
    Längst nicht so gründlich, aber nicht minder schockierend. Es geht um einen Ort in Russland namens Beketowka. Das größte Lager für deutsche Soldaten, die bei Stalingrad in Gefangenschaft gerieten. Die hier dargestellten Bedingungen gelten für deutsche Kriegsgefangene in allen sowjetischen Lagern. Nur nicht für die SS-Leute. Für die ist alles noch viel schlimmer. Bitte, lesen Sie diesen Bericht. Mehrere Männer sind dafür gestorben, diese Informationen und Fotos aus Russland hinauszuschmuggeln. Ich will Sie jetzt nicht mit genauen Zahlen aufhalten, meine Herren. Ich will mich mit einer Angabe begnügen. Von den zweihundertfünfzigtausend Deutschen, die in Gefangenschaft gerieten, nachdem sie sich bei Stalingrad ergeben hatten, sind inzwischen etwa neunzig Prozent durch Kälte, Hunger, miserable hygienische Bedingungen oder auch schlichten Mord umgekommen. Meine Mission hier ist eine ganz simple. Ich muss diese Akte Ihrem Präsidenten übergeben, verbunden mit folgender Frage: Wenn Ihnen der Tod von siebenundzwanzigtausend Polen nicht ausreicht, um das 340

    Bündnis mit der Sowjetunion aufzukündigen, wie steht es dann mit dem Tod von zweihundertfünfundzwanzigtausend deutschen Gefangenen?«
    »Gefunden wurden nur viertausend Polen. Bis jetzt.«
    »Es gab noch mehr Gräber«, sagte Reichleitner. »Wir hatten schlicht nicht die Zeit,

Weitere Kostenlose Bücher