Der Pakt
mit zusammengekniffenen Augen. »Haben Sie das Material dabei?«, fragte er.
»Draußen.«
Er sah kurz weg, sagte dann achselzuckend: »Wäre vielleicht nicht schlecht, etwas zu tun zu haben. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie langweilig es hier drinnen ist. Und ein paar simple Annehmlichkeiten wären auch nicht übel. Noch mehr von diesen amerikanischen Zigaretten. Etwas Anständiges zu essen. Bier. Ein bisschen Wein vielleicht.«
»In Ordnung.«
»Und vergessen Sie das Medikament nicht. Mein Magen fühlt sich an, als ob da eine Rattensippe drin haust.«
»Ich werde sehen, was ich tun kann.«
»Aber ich sag’s Ihnen offen, fünf Tage dürften kaum reichen.
Selbst mit den Schlüsseln. In kryptologischer Hinsicht geht der Iwan kein Risiko ein. Bei den meisten Systemen machen die Funker früher oder später Kompromisse, weil die völlige Verschlüsselung sehr zeitaufwändig ist. Aber der Russe nimmt es sehr genau mit der Nachrichtensicherheit. Und ich würde mal sagen, einen Klartext kriegen Sie in der kurzen Zeit nicht. Es ist 346
sehr wahrscheinlich, dass sie für dies und jenes Codewörter benutzt haben.«
Reichleitner sah mich an. Ich schaute einfach nur zurück.
Dann wandte er den Blick ab und nahm sich noch eine Zigarette.
»Aber Sie haben Glück, weil ich viele von diesen Codewörtern kenne. Zum Beispiel weiß ich, dass, wenn das Wort ›Gepäck‹
auftaucht, ›Post‹ gemeint ist. ›Novator‹ heißt ›Geheimagent‹ und
›Sparta‹ steht für ›Russland‹. Solche Dinge. Wir werden ja sehen, wie weit wir kommen.«
Ich stand auf und streckte ihm die Hand hin. »Klingt, als wären wir uns einig«, sagte ich.
Von Grey Pillars nahm ich ein Taxi zurück zum Shepheard.
Als ich mich im Sitz zurücklehnte, kroch ein riesiger Kakerlak über das plüschbezogene Armaturenbrett. Der Fahrer nahm das glänzend braune Insekt offenbar überhaupt nicht wahr. Das schien mir doch etwas über das Land auszusagen, in dem ich mich befand.
Um sieben Uhr ging ich hinunter, frisch gebadet und zum Dinner umgekleidet. Corporal Coogan wartete, wie verabredet, vor dem Hotel im Wagen auf mich. Wir fuhren wieder nach Garden City, das, obwohl sich jetzt das britische Militärhauptquartier und der Sitz der SOE hier befanden, immer noch als Kairos nobelstes Wohnviertel galt.
Eine Serie schmaler, gewundener Straßen, die in unregelmäßigen Abständen den Namen wechselten und nicht selten wieder am Ausgangspunkt endeten, führten durch eine Gegend aus üppigen Gärten, in denen große, weiße Villen standen. Einige hätte man wohl getrost als Paläste bezeichnen können. Schließlich war ich ja auch bei einer Prinzessin zum Dinner geladen.
Ich kam schon etwas früher, weil ich mir sagte, dass wir uns bestimmt viel zu erzählen hätten.
347
Elenas Haus, gleich neben der ehemaligen italienischen Gesandtschaft in der Harass Street, war eine weiße Villa im französisch-mediterranen Stil, mit großen, durchgehenden Balkonen und hohen Fenstern, durch die die Sphinx leicht hindurchgepasst hätte. Ein schmiedeeiserner Zaun umfriedete einen weitläufigen Garten, den ein von lila und roten Bougainvilleen umgebener, stattlicher Mangobaum dominierte.
Das Tor öffnete ein hoch gewachsener Mann mit einer weißen Galabya und einem roten Tarbusch. Er schickte mich einen Plattenweg entlang und ein paar Stufen zu einer riesigen Terrasse hinauf, wo bereits ein, zwei Gäste mit Cocktailgläsern herumstanden. Es war ein schwül-heißer Abend. Die Luft fühlte sich an wie warme Melasse. Im ganzen Haus brannte Licht, und brennende Fackeln illuminierten den Weg zum Vordereingang, wo ein weiterer weiß gewandeter Mann ein Tablett mit Drinks hielt.
Ich nahm mir ein wohl gefülltes Glas Sekt und erklomm dann die Stufen. Oben stand, von Diamanten nur so triefend, Elena in einem tief dekolletierten fliederfarbenen Cocktailkleid, das lange blonde Haar kunstvoll aufgetürmt. Es war schwer zu glauben, dass ich mit dieser Frau, jedenfalls eine Zeit lang, das Bett geteilt hatte.
»Willy-Darling.«
»Du weißt ja noch meinen zweiten Vornamen.«
»Wie schön, dich wieder zu sehen. Den gescheitesten Mann, den ich je gekannt habe.«
Das klang, als wäre ich eine Weile tot gewesen. Und vielleicht stimmte das ja auch. Seit meiner Abreise aus Washington hatte ich mich tatsächlich wie ein Mensch ohne Zukunft gefühlt. Zum ersten Mal seit einer Woche merkte ich, wie ich lächelte. Ich bemühte mich sehr, den Blick auf ihrem Gesicht zu
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