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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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sie alle zu untersuchen. Aber unsere Nachrichtenquellen in Russland besagen, dass dies nur die Spitze eines Eisbergs sein könnte. Von der einen Million Polen, die 1941 deportiert wurden – wenn es nicht sogar noch mehr waren –, sind inzwischen rund ein Drittel tot. Von vielen weiteren in sowjetischen Arbeitslagern fehlt jede Nachricht.«
    »Teufel noch mal«, sagte Deakin schockiert. »Das kann doch nicht wahr sein.«
    »Wenn ich nicht gesehen hätte, was ich gesehen habe, würde ich Ihnen vielleicht zustimmen, Major Deakin«, sagte Reichleitner. »Hören Sie, das ist das, was ich weiß. Aber das, was ich befürchte, ist noch viel, viel schlimmer. Deutschland hat auch schreckliche Dinge getan. Mit den Juden in Osteuropa.
    Aber wir sind Ihr Feind. Die Russen sind Ihre Freunde. Ihre Verbündeten. Und wenn Sie deswegen nichts tun oder sagen, sind Sie genauso schlimm wie die Russen, denn dann billigen Sie das, was sie getan haben.«
    Deakin sah mich an. »Diese Zahlen, die er da erwähnt, das kann doch wohl nicht sein.«
    »Da bin ich nicht Ihrer Meinung.«
    »Aber dreihunderttausend Polen?«
    »Männer, Frauen und Kinder«, sagte Reichleitner.
    »Nicht auszudenken.«
    Reichleitner warf sich auf sein Bett. »Nun gut, ich habe meine Pflicht getan. Es steht alles in der Akte. Ich kann Ihnen nicht mehr sagen, als Sie auch selbst lesen können.«
    341

    Deakin klopfte mit dem Pfeifenkopf auf seinen Handballen, suchte meinen Blick und nickte.
    »Da sind aber eine ganze Menge Dinge, die Sie uns nicht gesagt haben, Major«, sagte er. »Zum Beispiel, wer Sie auf diese Mission geschickt hat. Und mit wem Sie Kontakt aufnehmen sollten, wenn Sie in Kairo angekommen wären. Sie glauben doch nicht im Ernst, wir nehmen Ihnen ab, dass Sie zur amerikanischen Gesandtschaft marschieren und dieses Dokument dem Präsidenten persönlich übergeben wollten. Wem wollten Sie es anvertrauen?«
    »Gute Frage«, sagte ich.
    »Vielleicht sind Sie ja selbst kein Spion, aber derjenige, den Sie in Kairo kontaktieren sollten, ist mit ziemlicher Sicherheit einer.«
    »Auf diese Mission hat mich Reichsführer Himmler geschickt«, gestand Reichleitner. »Meine Order war, mich als polnischer Offizier auszugeben und mir ein Zimmer im Hotel Shepheard zu nehmen. Ich spreche Polnisch und Englisch. Mein Englisch ist besser, als ich vorhin zugegeben habe. Und ich fürchte, ich wollte genau das tun, was Sie eben gesagt haben.
    Das Dossier in die amerikanische Gesandtschaft bringen.
    Nabatat Street 24, nicht wahr? Hier in Garden City.«
    Deakin nickte mir zu. »Die Adresse stimmt.«
    »Ich sollte das Dossier in ein Päckchen packen, adressiert an Ihren amerikanischen Gesandten Mr. Kirk. Ich hatte einen Begleitbrief an Mr. Kirk dabei, aber den habe ich verloren, als ich ausgestiegen bin, genau wie meinen polnischen Pass.«
    »Sehr praktisch«, sagte Deakin.
    Reichleitner zuckte die Achseln. »Wüssten Sie etwas Besseres, um den Amerikanern eine Akte zukommen zu lassen, als sie einfach in der Gesandtschaft abzugeben? Ich kenne Kairo. Ich war vor dem Krieg oft hier. Wozu hätte ich da eine 342

    Kontaktperson brauchen sollen? Das hätte mich und meine Mission nur gefährdet.«
    »Eine Kontaktperson hätte Ihnen helfen können, wieder aus Ägypten hinauszukommen«, schlug ich vor.
    »So schwer ist das nicht, wenn man Geld hat.«
    »Er hatte mehrere hundert Pfund bei sich, als wir ihn aufgefischt haben«, erklärte Deakin.
    »Neunzig Minuten mit dem Zug nach Alexandria«, sagte Reichleitner. »Dann per Schiff nach Jaffa in Palästina. Von da ist es nicht schwer, nach Syrien und dann in die Türkei zu kommen. Ich bin oft in Ankara.«
    »Trotzdem werden wir Sie wohl wegen Spionage vor Gericht stellen müssen«, sagte Deakin.
    »Was?« Reichleitner sprang vom Bett auf und zeigte auf die Unterlagen, die er aus Deutschland mitgebracht hatte. »Ich bin hierher gekommen, um Ihnen Informationen zu bringen, nicht um zu spionieren. Welcher Spion bringt denn Papiere und Fotomaterial mit? Können Sie mir das mal sagen?«
    »Das könnten Fälschungen sein«, sagte Deakin. »Gezielte Falschinformation, um einen Keil zwischen uns und unsere russischen Verbündeten zu treiben. So etwas nennen wir Sabotage. Genau wie wenn jemand eine Ölraffinerie oder ein Offizierskasino in die Luft jagt.«
    »Sabotage? Aber das ist doch idiotisch.«
    Deakin nahm die Beketowka-Unterlagen vom Tisch. »Das muss alles evaluiert werden. Und wenn es der Prüfung nicht standhält, könnten Sie sich vor

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