Der Pathologe weiß alles, ... aber zu spät.
ruhten. Ich benutzte die Pause, um vor die Türe zu treten und frische Luft zu schöpfen. Gleich nachher erschien auch Rokitansky und stellte sich nahe bei mir in die Sonne. Die warme Luft des Hofes behagte ihm sichtlich. Mit einem Mal wandte er sich gegen mich, nickte mir freundlich zu und bemerkte: ,Heute ist schönes Wetter.' Ich war überrascht, doch nahm ich mich zusammen und erwiderte bestätigend: Ja, es ist wirklich ein schöner Tag.' Die Unterhaltung war damit zu Ende, und es war die erste und einzige, die ich ihn führen konnte.“
Rokitansky hatte vier Söhne, auf die er sehr stolz war, weil sie teils erfolgreiche Sänger, teils ebenso erfolgreiche Mediziner waren. Fragen, wie es seinen Söhnen gehe, pflegte er mit der Feststellung zu beantworten: „ Ausgezeichnet! Zwei heulen und zwei heilen!“ Bei den zwei älteren Söhnen war Hans Bassist an der Hofoper, Viktor Gesangslehrer; die beiden jüngeren waren Mediziner, Carl Vorstand der Geburtshilfe in Graz, Prokop Professor für innere Medizin an der Universität Innsbruck.
Als Nachfolger Rokitanskys wurde zum Erstaunen der Fachkreise der nicht allzu bedeutende Richard Heschl von Graz nach Wien berufen. Außerhalb von Wien und im übrigen Europa wurde immer die Frage gestellt: „Wer ist eigentlich der Nachfolger Rokitanskys geworden?“ - „Ein gewisser Heschl“, war die Antwort jener, die es wußten. „ Und wer ist dieser Heschl?“ - „Der Nachfolger Rokitanskys.“
DIE AUFGABEN EINES LEIBARZTES
Franz Joseph, vorletzter Kaiser der k. u. k. Donaumonarchie, erfreute sich bis ins hohe Alter einer vortrefflichen Gesundheit. Sein Hofarzt Dr. Joseph Kerzl harte einen leichten Dienst. Seine Aufgabe bestand darin, sich jeden Morgen sehr früh bei Majestät zu melden und ebenso höflich wie kurz und knapp nach der allerhöchsten Gesundheit zu fragen. Als Antwort - gewissermaßen - wurde ihm dann feierlich eine erstklassige Havanna, an bestimmten Tagen auch zur Abwechslung eine Virginia überreicht. Anschließend und solange er diese kaiserliche Zigarre rauchte, hatte er sich zu setzen und mit dem Kaiser zu plaudern: übers Wetter, über dieses und jenes Zeitgeschehnis, insbesondere über das, was sich am Vortag im schönen Wien zugetragen hatte.
Eines Morgens aber, als Franz Joseph bereits ein sehr hohes Alter erreicht hatte, wurde Kerzl bei der Anmeldung vom Leibdiener mit ernstem Gesicht abgewiesen: „Majestät bedauern lebhaft, den Herrn Hofrat heute morgen nicht empfangen zu können. Majestät fühlen sich nicht ganz wohl und sind zum Plaudern nicht aufgelegt.“
PROBLEME EINES NOBELPREISTRÄGERS
Einst saßen Julius Wagner von Jauregg, der berühmte Psychiater und Nobelpreisträger des Jahres 1927, und der Augenarzt Professor Ernst Fuchs in einem der zahlreichen Weinorte Niederösterreichs beim Essen nebeneinander. Fuchs trank wie immer nur sehr wenig, während Wagner-Jauregg ein Freund des Weines war. Das veranlaßte Fuchs zu sagen: „Der Wagner wäre ein so netter Mensch, wenn er nicht so viel trinken würde.“ Darauf meinte Wagner-Jauregg: „Ich kann ja nichts dafür, daß die Erde so klein ist. Wenn die Erde größer wäre, wäre der Äquator länger und damit auch das Metermaß, und da wäre auch der Liter größer, und dann bräucht' ich nicht so viele Vierteln zu trinken.“
ALKOHOL UND INNERE MEDIZIN
Der Internist Professor Franz Chvostek, der gerne und viel trank, mußte sich einer Oberbauchoperation unterziehen. Aus der Narkose erwacht, lautete seine erste Frage: „Wie ist die Leber?“ Man versicherte ihm, daß sie in ausgezeichnetem Zustand sei, worauf Chvostek fröhlich ausrief: „Sehr gut, I trink' weiter!“ Aus dieser fröhlichen Grundhaltung heraus formulierte Chvostek den legendär gewordenen Satz: „Ein Alkoholiker ist nur der, welcher es nicht verträgt!“
DERMATOLOGIE UND VENEROLOGIE
Viele Geschichten erzählt man über den Dermatologen Professor Isidor Neumann (1832-1906). Um den Ordinationsbetrieb zu beschleunigen, hatte er als einer der ersten Ärzte in Wien Umkleidekabinen für die Patienten eingerichtet. Ein Diener sorgte mit unerbittlicher Strenge dafür, daß die Besucher von dieser ungewohnten Neuerung auch Gebrauch machten und sich völlig entkleideten. Mit dem Ergebnis, daß sich Neumann eines Tages mit einem splitternackten Mann konfrontiert sah, der ihm mit kläglicher Miene sagte: „Aber, Herr Professor, ich bin doch nur gekommen, um den Kultusbeitrag einzukassieren!“
Einer Dame der Gesellschaft
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