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Der Patient

Titel: Der Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Blass, ungepflegt und mit irrem Blick musste er wohl ein beunruhigendes Erscheinungsbild bieten, denn ein junger Mann, der vorbeikam, wirbelte herum und starrte ihn an, bevor er mit beschleunigten Schritten weiterlief. Ricky stürzte fast wie betrunken den Bürgersteig entlang zur nächsten Straßenecke, wo es leichter war, ein Taxi zu bekommen.
    Er blieb an der Ecke stehen, um sich ein wenig den Schweiß aus dem Gesicht zu wischen, und trat mit erhobener Hand an die Bordsteinkante. In dieser Sekunde fuhr wundersamerweise ein gelbes Taxi heran und blieb direkt vor ihm stehen, um einen Fahrgast hinauszulassen. Ricky griff nach der Tür, um sie für den Unbekannten aufzuhalten und nach alter Städtersitte das Taxi für sich zu reklamieren.
    Die Frau, die sich vom Sitz erhob, war Virgil.
    »Danke, Ricky«, sagte sie fast wie nebenbei. Sie rückte sich die Sonnenbrille zurecht und grinste über seine zweifellos entsetzte Miene. »Ich hab die Zeitung für Sie liegen lassen«, fügte sie hinzu.
    Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und lief zügig die Straße weiter. Binnen Sekunden war sie um die nächste Ecke verschwunden.
    »Kommen Sie, Kumpel, wollen Sie nun mit?«, riss ihn der Fahrer aus seinen Gedanken.
    Erst jetzt merkte Ricky, dass er immer noch, den Türgriff in der Hand, auf dem Bürgersteig stand. Er sah in den Wagen und entdeckte die aktuelle
Times
gefaltet auf dem Rücksitz. Ohne länger zu zögern, sprang er hinein. »Wo soll’s denn hingehen?«, fragte der Mann.
    Ricky wollte gerade antworten, als ihm ein Gedanke kam. »Die Frau, die gerade ausgestiegen ist«, sagte er, »wo haben Sie die aufgenommen?«
    »Seltsame Dame«, erwiderte der Fahrer. »Sie kennen sich?«
    »Ja, gewissermaßen.«
    »Na ja, sie hält mich zwei Häuserblocks von hier an, sagt, ich soll einfach ein Stück weiter die Straße rauf stehen bleiben und die Uhr laufen lassen, während sie da hinten sitzt und nichts weiter tut, als aus dem Fenster zu starren und sich dabei ein Handy ans Ohr zu halten, ohne dass sie ein Wort sagt. Auf einmal sagt sie, ›Fahren Sie da drüben ran!‹ und zeigt auf die Stelle, wo Sie waren. Sie schiebt mir einen Zwanziger durch die Scheibe und sagt, ›Der Mann ist Ihr nächster Fahrgast, verstanden?‹ Ich sag, ›Ihr Wunsch ist mir Befehl, Lady‹, und mach, was sie sagt. Da sind Sie also. Echter Hingucker, die Frau. Also, wohin?«
    Ricky schwieg einen Moment und sagte: »Hat sie Ihnen das nicht gesagt?«
    Der Fahrer lächelte. »Hat sie allerdings, verdammt. Aber sie sagt, ich soll Sie trotzdem fragen, mal sehen, ob Sie’s raten.«
    Ricky nickte. »Columbia Presbyterian Hospital. Die Ambulanz an der Hundertzweiundfünfzigsten Ecke West End.«
    »Bingo!«, rief der Fahrer und stellte den Taxameter an, bevor er sich in den Vormittagsverkehr einfädelte.
    Ricky griff nach der Zeitung auf dem Sitz. Im selben Moment fiel ihm eine Frage ein, und er lehnte sich zu der Plastikscheibe zwischen sich und dem Fahrer vor. »Hören Sie«, sagte er. »Diese Frau, hat sie Ihnen auch gesagt, was Sie machen sollen, falls ich Ihnen eine andere Adresse nenne? Ich meine, wenn ich woanders hin will als zu der Klinik?«
    Der Fahrer grinste. »Was soll das hier werden, ’ne Art Spiel?«
    »Könnte man so sagen«, erwiderte Ricky. »Wenn auch kaum eins, das Ihnen Spaß machen würde.«
    »Hätte nix gegen das eine oder andere Spielchen mit der einzuwenden, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Oh, hätten Sie doch«, sagte Ricky. »Auch wenn Sie’s sich nicht vorstellen können, glauben Sie mir, Sie hätten ganz entschieden was dagegen.«
    Der Mann nickte. »Schon verstanden«, sagte er. »Manche Frauen, die so wie die da aussehen, machen mehr Ärger, als sich lohnt. Sind sozusagen das Eintrittsgeld nicht wert …«
    »Das sehen Sie richtig«, stimmte Ricky zu.
    »Jedenfalls sollte ich Sie zur Klinik bringen, egal, was Sie sagen. Sie sagt, Sie würden es schon kapieren, wenn wir erst da sind. Hat mir ’nen Fünfziger dafür gegeben, dass ich Sie da hinbringe.«
    »Sie steht sich gut, finanziell«, sagte Ricky und lehnte sich zurück. Er atmete schwer, der Schweiß nahm ihm in den Augenwinkeln die Sicht und trat ihm fleckig durchs Hemd. Ricky griff nach der Zeitung.
    Er fand, wonach er suchte, auf Seite A-13, und zwar mit demselben roten Stift quer über eine Dessousreklame der Kaufhauskette Lord & Taylor’s geschrieben, so dass die Worte dieschlanke Gestalt des Models zerfurchten und das Bikinihöschen

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