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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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schief und sah seinen älteren Bruder herausfordernd an. «Dann will ich mit dir Schreiben üben. Du hast’s versprochen.»
    «Siehst du?», wandte sich Heinrich an Clara. «Nicht mal gegenüber den eigenen Geschwistern hält er seine Versprechen ein.»
    Benedikt biss sich auf die Lippe.
    «Also, was soll ich nun?», fragte er schließlich trotzig. «Holzhacken oder Schulmeister spielen?»
    «Erst das eine, dann das andre.» Heinrichs Stimme hatte nun diesen Tonfall, der keine Widerrede duldete. Er erhob sich. «Du solltest dir ein Beispiel an deiner Schwester nehmen.Johanna nimmt ihre Pflichten sehr viel ernster. Um die beiden Kleinen kümmert sie sich wie eine Mutter, und das neben der ganzen Haus- und Gartenarbeit.»
    «Die ist ja auch nur ein Mädchen», kicherte Michel und erntete dafür von seiner älteren Schwester umgehend eine Kopfnuss. Ohne ein weiteres Wort zog Benedikt Handschuhe und Gugel über und verließ die Küche. Kurz darauf hörte man vom Hof her schnelle, kraftvolle Schläge.
    Heinrich nahm seinen Umhang vom Haken.
    «Ich muss nach dem alten Klingenschleifer sehen, er ist von der Bühne gestürzt. Und die Steirer Elsbeth will zur Ader gelassen werden. Die ist schon wieder verstopft. Begleitest du mich?», fragte er Clara. «Zuvor muss ich allerdings noch bei Behaimer vorbei, den neuen Aderlasskalender holen.»
    Clara verzog das Gesicht. Sie konnte den Stadtphysicus nicht leiden. Bevor sie antwortete, bestürmte Michel seinen Vater: «Bitte, bitte, nimm mich mit! Du hast gesagt, wenn keine Schulstunden sind, darf ich mitkommen.»
    Heinrichs grimmige Miene wurde sofort weich. «Ein andermal, mein Junge. Draußen stürmt und schneit es. Außerdem: Wer Wundarzt werden will, muss mühelos lesen und schreiben können.»
    Clara drückte ihrer Ältesten Kathrin in den Arm und holte Kopftuch und Umhang. «Wenn du mich den Aderlass allein machen lässt und mir nicht fortwährend dreinredest, komm ich gern mit.»
     
    «Ich versteh nicht, warum du immer so ungehalten bist mit Benedikt», sagte Clara, als sie hinaus in das Schneetreiben traten. «Dich bringt doch sonst nichts aus der Ruhe.»
    «Er könnte wenigstens seinen Bruder beim Lernen unterstützen.Wofür habe ich ihn ein Jahr länger in die Knabenschule geschickt?»
    Er schnaubte, und Clara unterdrückte ein Lachen. «Doch wohl, weil er in deine Fußstapfen treten sollte! Ich finde, du bist reichlich undankbar, lieber Mann. Als Meisterknecht hat Benedikt ein höheres Auskommen als jeder Geselle, und er gibt bis auf ein kleines Sackgeld jeden Pfennig ab.»
    «Trotzdem. Jetzt in den Winterwochen könnte er uns hier im Haus zur Hand gehen. Ich frag mich, was er den ganzen Tag in der Werkstatt zu schaffen hat.»
    «Du bist noch immer nicht drüber hinweg, dass der Junge kein Wundarzt werden wollte.»
    «Wie sollte ich? Er hat geschicktere Hände als ich, die beste Grundlage für diesen Beruf. Stattdessen haut er damit Steine zurecht. Außerdem geht es um die Familienehre. Mein Großvater, der noch der Sohn eines armen Badknechts war, hat sich nicht nur die Gerechtigkeit für eine Badstube, sondern auch für die Kunst der Wundarzney teuer erkauft. Durch sein und meines Vaters Geschick haben wir uns den Übernamen Grathwohl verdient. Wie soll ich es da verwinden, wenn mein Ältester diese Tradition durchbricht?»
    «Du vergisst, dass Michel dir nachfolgen will.»
    «Der Junge ist erst acht. Und er besitzt nicht annähernd dieselbe Fingerfertigkeit wie sein Bruder.»
    Sie hatten den Gewerbebach in der Schneckenvorstadt erreicht, wo Marx, der alte Klingenschleifer, seine Werkstatt betrieb. Kaum eine Stunde später hatten sie ihm einen Sud aus Weidenrinde und Mohn gegen die Schmerzen verabreicht, den gebrochenen Unterarm gerichtet und mit einem festen Verband gestützt. Im Gegenzug bekamen sie von Marxens Frau heißen Würzwein kredenzt. Nur unwillig machten sie sich danachauf den Weg zu Filibertus Behaimer, der das Haus Zum Roten Reh am Fischmarkt ganz für sich allein bewohnte. Der Stadtphysicus war ehe- und kinderlos, doch man munkelte, dass er gerne wohlfeile junge Weibsbilder empfing. Dabei war das weibliche Geschlecht für ihn nichts anderes als ein Fehlgriff des Herrgotts, gerade gut genug, um den Weiterbestand der Menschheit zu sichern oder eben dem Manne Erleichterung zu verschaffen. Zumindest Clara gegenüber pflegte er solcherlei Bemerkungen höchst gerne von sich zu geben.
    Wie üblich, mussten sie mehrfach klopfen, bis der Knecht öffnete und

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