Der Pfad der Dolche
es, seine Verachtung mit kaum ausreichender Höflichkeit zu verbinden, um einer Herausforderung vorzubeugen. Dennoch betrachtete Agelmar ihn kalt, wobei er sich leicht im Sattel vorbeugte, ein Mann, der genau wußte, wo sich jede seiner Waffen befand. Sie waren in vielen Kämpfen entlang der Großen Fäule Verbündete gewesen, aber jetzt begegneten sie sich mit neuem Mißtrauen.
Alesune brachte ihr Pferd, eine graue Stute so groß wie ein Streitroß, zum Tänzeln. Die schmalen weißen Streifen in Alesunes langem schwarzen Haar erschienen plötzlich wie ein Helmschmuck, und ihre Augen ließen jedermann rasch vergessen, daß shienarische Frauen niemals Waffen gebrauchten und auch keine Duelle ausfochten. Ihr Titel lautete einfach Bhatayan des Königshofs, und doch beging jedermann einen schweren Fehler, der glaubte, der Einfluß der Shatayan ende bei der Beaufsichtigung der Köche, Dienerinnen und Lieferanten. »Tollkühnheit hat nichts mit Mut zu tun, Lord Shianri. Wir verlassen die Große Fäule fast ungeschützt, und wenn wir scheitern - und vielleicht sogar wenn wir erfolgreich sind -, könnten einige von uns ihre Köpfe auf Spießen wiederfinden. Vielleicht sogar wir alle. Die Weiße Burg könnte sehr wohl dafür sorgen, wenn dieser al'Thor es nicht tut.«
»Die Große Faule scheint zu schlafen«, murrte Terasian, der sich das fleischige Kinn rieb. »Ich habe sie noch nie so ruhig erlebt.«
»Der Schatten schläft niemals«, wandte Jagad gelassen ein, und Terasian nickte, als wäre auch das erwägenswert. Agelmar war der beste Befehlshaber unter ihnen, einer der besten überhaupt, aber Terasians Platz zu Paitars Rechten war beileibe nicht dadurch bedingt, daß er ein guter Trinkkumpan war.
»Ich habe genügend Soldaten zurückgelassen, die das Land beschützen, solange nicht wieder Trolloc-Kriege stattfinden«, sagte Ethenielle mit fester Stimme. »Ich vertraue darauf, daß Ihr alle ebenso klug gehandelt habt. Aber das ist bedeutungslos. Glaubt jemand, daß wir jetzt wirklich noch umkehren können?« Sie äußerte diese letzte Frage nüchtern, ohne eine Antwort zu erwarten, aber sie erhielt dennoch eine.
»Umkehren?« fragte eine Frau mit hoher Stimme hinter ihr. Tenobia von Saldaea galoppierte in die Versammlung und zügelte ihren weißen Wallach dann so ruckartig, daß er sich heftig aufbäumte. Dichte Perlenreihen zogen sich die dunkelgrauen Ärmel ihres Reitgewandes mit engen Röcken hinab, während üppige, rotgoldene Stickerei ihre schlanke Taille und den wohlgerundeten Busen betonte. Sie war für eine Frau groß, und sie war trotz einer bestenfalls verwegenen Nase hübsch, wenn nicht sogar schön. Große schrägstehende Augen von einem tiefen Dunkelblau verstärkten diesen Eindruck gewiß noch, aber ebenso ihre außergewöhnliche Selbstsicherheit. Wie erwartet, wurde die Königin von Saldaea nur von Kalyan Ramsin begleitet, einem ihrer zahlreichen Onkel, ein grauhaariger Mann mit einem pockennarbigen Adlergesicht und einem dichten, um seinen Mund abwärts gebogenen Schnurrbart. Tenobia Kazadi duldete den Rat der Soldaten, aber von niemand sonst. »Ich werde nicht umkehren«, fuhr sie zornig fort, »ungeachtet dessen, was Ihr anderen zu tun gedenkt. Ich habe meinen lieben Onkel Davram ausgesandt, mir den Kopf des falschen Drachen Mazrim Taim zu bringen, und nun folgen sowohl er als auch Taim diesem al'Thor, wenn ich auch nur die Hälfte dessen glauben darf, was ich gehört habe. Ich habe fast fünftausend Männer hinter mir, und was auch immer Ihr beschließen mögt - ich werde nicht umkehren, bis mein Onkel und al'Thor begriffen haben, wer Saldaea regiert.«
Ethenielle wechselte Blicke mit Serailla und Baldhere, während Paitar und Easar Tenobia versicherten, daß sie ebenfalls weiterziehen wollten. Serailla schüttelte kaum merklich den Kopf und zuckte mit den Achseln. Baldhere verdrehte ungehalten die Augen. Ethenielle hatte nicht wirklich gehofft, Tenobia würde letztendlich beschließen fernzubleiben, aber das Mädchen würde gewiß Schwierigkeiten machen.
Die Saldaeaner waren ein seltsamer Menschenschlag - Ethenielle hatte sich oftmals gefragt, wie ihre Schwester Einone es schaffte, eine solch gute Ehe mit einem weiteren Onkel Tenobias zu führen -, aber Tenobia trieb diese Seltsamkeit auf die Spitze. Man erwartete von jedem Saldaeaner auffälliges Verhalten, aber Tenobia genoß es, Domani vor den Kopf zu stoßen und Altarener langweilig erscheinen zu lassen. Das Temperament der Saldaeaner war
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