150 - Demaskierung der Ungeheuer
Als Alfred Belmont das Speisezimmer betrat, ahnte er nicht, daß er nur noch 91 Minuten zu leben hatte.
Wie an jedem Wochentag, wenn er sich in N.Y.C. befand, nahm er am gelbgedeckten Tisch Platz, griff nach der Serviette und breitete sie über den Knien aus.
Genußvoll trank er einen Schluck Orangensaft, während er auf den Bildschirm blickte. Er sah sich die
Morning Show
der CNA an. Der Sprecher verkündete, daß im Verlauf der Sendung auch ein Interview mit Alfred Belmont vorgesehen war.
Zufrieden nickend schaltete der Multimillionär auf
Today
um, eine News-Show zu sehen, die ihm besser gefiel.
John, der weißhaarige Butler, servierte ein bescheidenes Frühstück, das aus zwei verlorenen Eiern, einer Toastscheibe und Kaffee bestand. Abschließend legte er die New York Times und das Wall Street Journal auf den Tisch.
„Wann soll der Wagen vorfahren, Sir?" erkundigte sich John.
„Ich will um acht Uhr im CNA-Building sein", antwortete Belmont.
„Sehr wohl, Sir."
Auf Anraten seines Arztes verzichtete Belmont seit einem halben Jahr auf ein üppiges Frühstück. Er schaltete den Fernseher ab und verspeiste die Eier und den Toast, trank eine Tasse Kaffee und blätterte die Zeitungen durch.
Kurz nach halb acht Uhr nahm er im Fond des Mercedes Platz.
In 54 Minuten sollte Alfred Belmont sterben.
Entspannt lauschte der Millionär der Klaviermusik Chopins und sah gedankenverloren über die 22. Straße. Voller Optimismus blickte er in die Zukunft. Seine politische Karriere war gesichert, und im Augenblick verfolgte er mehr als zwanzig gewinnträchtige Projekte.
Der Wagen bog in die Sixth Avenue ein und kroch langsam Manhattan hoch. Er fuhr am Rockefeller Center vorbei, und dann tauchte der schwarze CNA-Wolkenkratzer auf.
In 29 Minuten , würde Belmonts Herz nicht mehr schlagen.
Steve Ferraro, der Produzent der
Morning Show,
war sehr zufrieden. Er studierte die neuesten Umfrageergebnisse. Im August hatte seine Show abgeschlagen an vierter Stelle gelegen, doch im Oktober hatte sie enorm aufgeholt und den anderen Programmen ein paar Millionen Zuseher weggeschnappt.
„Mr. Belmont ist unterwegs, Sir", meldete sich seine Sekretärin.
„Danke."
Gemächlich verließ Ferraro sein Büro, blieb kurz stehen und warf einen Blick auf die Nachrichtenstudios, wo es noch immer hektisch zuging.
Die Aufzugtür glitt auf, und Alfred Belmont stieg breit lächelnd aus. Er war fünfundvierzig, breitschultrig und groß. In seiner Begleitung befand sich Ancella Liver, die ihn interviewen sollte. Ferraro begrüßte Belmont überaus herzlich.
„Es freut mich sehr, Alf, daß du bei uns bist", sagte Ferraro.
„Gern geschehen", meinte Belmont. Er hatte sich für CNA entschieden, da er ein ansehnliches Paket Aktien der Fernsehgesellschaft besaß. „Miß Liver hat mich schon auf die Fragen vorbereitet, die sie mir stellen wird."
Der Produzent musterte die Moderatorin flüchtig. Vor zwei Monaten hatte er der hübschen Ancella Liver eine Chance gegeben und sie ein paar eher unbedeutende Persönlichkeiten interviewen lassen. Ihre offene, leicht zynische Art der Fragestellung war beim Publikum gut angekommen. Ihre unkonventionelle Kleidung gefiel auch, obzwar Ferraro sie ziemlich geschmacklos fand. Sie sieht wie eine schlechte Madonna-Kopie aus, dachte er.
Geduldig ließ sich Alfred Belmont schminken, für ihn waren Fernsehauftritte nichts Neues. Er unterhielt sich kurz mit dem Regisseur Rafael Cordero, dann nahm er auf der Ledercouch im Studio Platz.
Ancella Liver ließ die Uhr nicht aus den Augen. In einer Minute würden sie auf Sendung sein. Eine der Kameras war auf sie gerichtet, in wenigen Sekunden würde das rote Lämpchen aufleuchten.
Die Fernsehmoderatorin zuckte zusammen. Es war, als hätte ihr jemand einen starken elektrischen Schlag versetzt. Ihr Körper krümmte sich.
„Was ist mit Ihnen los, Ancella?" fragte Belmont entsetzt.
Die Hände der Reporterin wurden größer, und das Fleisch löste sich auf. Grüne, knochige Finger streckten sich Belmont entgegen. Ihr Kopf flimmerte, und für einen Augenblick war ein leuchtender Totenschädel unter dem hübschen Gesicht zu erkennen.
Das Ungeheuer knurrte wie ein Raubtier, sprang hoch, und Feuerzungen schossen aus dem geifernden Maul hervor.
Belmont wollte aufstehen, doch da verkrallten sich die Knochenfinger in seinen Schultern. Für ein paar Sekunden war sein Körper in einen roten Feuerschein getaucht.
Verwirrt blickte Ancella Liver in die Kamera. Für eine halbe
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