Der Pilot von der Donau
Erstes Kapitel.
Das Wettangeln in Sigmaringen.
Eines Sonnabends, am 5. August 1876, füllte eine große, lärmende Menge das Gasthaus »Zum Treffpunkt der Fischer«. Gesang, Geschrei, Gläserklang, Beifallsbezeugungen und schallende Ausrufe mischten sich zu einem Höllenlärm, der in fast regelmäßigen Zwischenräumen von den »Hochs« unterbrochen wurde, womit die Deutschen nun einmal ihrer Begeisterung Ausdruck zu verleihen gewöhnt sind.
Die Fenster des Gastraumes boten einen Ausblick nach der Donau, am Ende der reizenden kleinen Stadt Sigmaringen, der Hauptstadt der preußischen Enklave Hohenzollern-Sigmaringen, die fast unmittelbar am Ursprung jenes großen mitteleuropäischen Stromes liegt.
Der Einladung der Firma über der Haustür folgend, deren Inschrift in schönen gotischen Buchstaben ausgeführt war, hatten sich hier die Mitglieder des »Donaubundes« versammelt, einer internationalen Vereinigung von Fischern, die den verschiedensten Völkerschaften an den Stromufern angehörten.
Eine festliche Zusammenkunft ist ohne ein Trinkgelage ja kaum denkbar, und so trank man denn auch hier das gute Münchner Gebräu und den feurigen Ungarwein aus vollen Schoppen und vollen Gläsern. Geraucht wurde natürlich auch, und der große Raum war ziemlich verdunkelt von den wohlriechenden Wolken, die unaufhörlich aus den langen Pfeifen aufstiegen. Doch wenn die Gäste einander nicht sehen konnten, so konnten sie sich doch hören, wenigstens wenn sie nicht taub waren.
Ruhig und schweigsam bei der Ausübung ihrer Berufstätigkeit, sind die Angelfischer gerade die lautesten Leute, sobald sie ihre Geräte weggelegt haben. Im Erzählen ihrer Großtaten wetteifern sie mit den Jägern, und das will doch viel sagen!
Augenblicklich war man hier am Ende eines kräftigen Frühstücks, das um die Tische des Gasthauses gegen hundert Teilnehmer versammelt hatte, lauter Ritter der Angelrute, scharfe Wächter des Schwimmers und Fanatiker des Angelhakens. Die Tätigkeit am Vormittage hatte, nach den vielen, zwischen den Desserttellern umherstehenden Flaschen zu urteilen, augenscheinlich ihre Kehlen ausgetrocknet. Jetzt war die Reihe an den zahlreichen Likören, die man als Begleiter einer Tasse Kaffee erfunden hat.
Die Uhr wies auf die dritte Nachmittagsstunde, als sich die mehr und mehr erhitzten Tischgäste erhoben. Freilich schwankten einzelne darunter nicht unbedenklich und hätten die Unterstützung ihrer Nachbarn nicht wohl entbehren können. Die meisten standen aber doch sicher auf den Beinen, als brave und tüchtige Habitués solcher langen Tafelfreuden, die sich bei Gelegenheit des Wettbewerbs des Donaubundes jährlich mehrmals wiederholten.
Diese sehr besuchten und festlich gefeierten Wettkämpfe genossen eines großen Rufes längs des Verlaufs des berühmten gelben Stromes, der ja nicht blau ist, wie er in dem bekannten Straußschen Walzer genannt wird. Teilnehmer an dem Wettbewerbe fanden sich hier aus dem Großherzogtum Baden, aus Württemberg, Bayern, Österreich, aus Ungarn, Serbien, Rumänien und selbst aus den türkischen Vasallenstaaten Bulgarien und aus Bessarabien zusammen.
Die Vereinigung bestand schon seit fünf Jahren und gedieh sichtlich unter der vortrefflichen Leitung ihres Vorsitzenden, des Ungars Miklesko. Ihre immer zunehmenden Mittel erlaubten es, für die Wettbewerbe ansehnliche Preise auszusetzen, und ihr Banner erglänzte von funkelnden Medaillen, den Preisen der Siege über konkurrierende Vereine. Gründlich unterrichtet über die die Stromfischerei betreffende Gesetzgebung, vertrat ihr Direktor die Bundesmitglieder gegenüber dem Staate und einzelnen Personen und verteidigte ihre Rechte mit jener Zähigkeit, man könnte sagen, jener professionellen Starrköpfigkeit, die dem Zweihänder eigen ist, den seine Instinkte als Angelfischer würdig machen, als besondre Klasse der Menschheit betrachtet zu werden.
Der heute beendigte Wettkampf war der zweite des Jahres 1876 gewesen. Früh um fünf hatten die Teilnehmer die Stadt verlassen und sich, etwas stromabwärts von Sigmaringen, an das linke Ufer der Donau begeben. Sie trugen die Uniform des Bundes: eine kurze, die Bewegungen in keiner Weise hemmende Bluse, die Beinkleider in den Schäften der starksöhligen Stiefel und eine weiße Mütze mit breitem Schirm. Natürlich besaßen sie die vollständige Sammlung aller im »Handbuche des gerechten Anglers« aufgezählten Hilfsmittel: Stangen, lange Ruten, kleine Hamen, Schwimmer, Senkblei, Schrot jeden
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