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Der Pilot von der Donau

Der Pilot von der Donau

Titel: Der Pilot von der Donau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Unparteilichkeit der Jury konnte nicht angezweifelt werden: Ilia Brusch war der Sieger im Wettkampfe und das unter Bedingungen, die, soweit sich die Bündler erinnern konnten, vorher von niemand erfüllt worden waren. Die Versammlung taute auch allgemach auf und schallende Beifallsrufe begrüßten den zweifachen Sieger in dem Augenblicke, wo er seine Diplome nebst den Geldpreisen aus den Händen des Präsidenten Miklesko empfing.
    Als das erledigt war, hatte aber Ilia Brusch, statt sich vom Podium zu entfernen, noch ein kurzes Zwiegespräch mit dem Vorsitzenden und wandte sich dann an die ihn beobachtende Versammlung, die er durch eine Handbewegung um Ruhe ersuchte. Sofort wurde es auch wieder ganz still.
    »Meine Herren und liebe Kollegen, begann Ilia Brusch, ich bitte Sie um die Erlaubnis, einige Worte an Sie richten zu dürfen, nachdem der Herr Vorsitzende mir das gestattet hat.«
    Man hätte jetzt in dem eben noch so geräuschvollen Saale eine Mücke dahinfliegen hören können. Worauf mochte diese im Programm nicht vorgesehene Ansprache hinauslaufen?
    »Mich drängt es zuerst, fuhr Ilia Brusch fort, Ihnen zu danken für Ihre Teilnahme und Ihren Beifall^ ich bitte Sie aber zu glauben, daß ich mich über den doppelten Erfolg, der mir zuteil wurde, nicht stolzer fühle, als dieser es verdient. Ich weiß recht gut, daß dieser Erfolg, wenn er dem Würdigsten beschert werden sollte, irgendeinem ältern Mitgliede des Donaubundes hätte zufallen müssen, des Vereins, der so reich ist an tüchtigen Fischern, und daß ich den heutigen Sieg weit weniger meinem Verdienste, als einem glücklichen Zufall verdanke.«
    Die Bescheidenheit dieses ersten Auftretens wurde von den Zuhörern lebhaft gewürdigt, und aus ihren Reihen hörte man sogar einige halblaute »Sehr gut!«
    »Diesem günstigen Zufall muß ich noch gerecht werden und habe deshalb einen Plan entworfen, von dem ich glaube, daß er diese Vereinigung angesehener Angelfischer interessieren dürfte.
    Gegenwärtig, verehrte Kollegen, sind die Rekords in der Mode. Warum sollten wir nicht den Champions andrer, dem unsern gegenüber doch niedriger stehender Sports nachahmen und nicht den Versuch machen, einen Rekord im Fischfang zu schaffen?«
    Aus dem Zuhörerkreise wurden einzelne halberstickte Ausrufe laut. Man hörte einige »Ah, ah!«, einige »Sieh da!… Sieh da!« und »Warum denn nicht!«, da jeder Genosse dem empfangenen Eindruck seinem Temperamente nach Ausdruck verlieh.
    »Als mir dieser Gedanke zum erstenmal kam, fuhr der Redner inzwischen fort, habe ich ihn sofort festgehalten und auch sofort erkannt, in welcher Weise er verwirklicht werden sollte. Mein Verhältnis als Zugehöriger des Donaubundes setzt übrigens der Aufgabe gewisse Grenzen. Als Donaubündler konnte ich zur glücklichen Durchführung meines Planes nur die Donau ins Auge fassen.
    Ich habe mir also vorgenommen, unsern berühmten Strom von seiner Quelle bis zum Schwarzen Meer hinunterzufahren und auf der dreitausend Kilometer langen Strecke ausschließlich vom Ertrage meines Fischfangs zu leben.
    Der Zufall, der mich heute begünstigt hat, würde, wenn es möglich wäre, mein Verlangen, diese Reise auszuführen, nur noch steigern, einer Reise, die sicherlich nicht des Interesses entbehrt, und deshalb teile ich Ihnen heute schon mit, daß meine Abfahrt auf den 10. August, also auf nächsten Donnerstag, festgesetzt ist, an welchem Tage Sie mich unmittelbar am Ursprung der Donau treffen würden.«
    Es ist weit leichter, die Begeisterung, die diese unerwartete Mitteilung erweckte, sich vorzustellen, als sie zu beschreiben. Fünf Minuten lang wütete ein richtiger Sturm von »Hochs!« und maßlosen Beifallsrufen.
    Ein solcher Zwischenfall konnte aber nicht in dieser Weise auslaufen. Herr Miklesko sah das ein und handelte, wie immer, als ein richtiger Präsident. Noch einmal erhob er sich, vielleicht etwas mit Beschwerde, zwischen seinen beiden Vorstandskollegen.
    »Aufs Wohl unsres Kollegen Ilia Brusch!« rief er, ein Champagnerglas schwingend, mit bewegter Stimme.
    »Auf unsern Kollegen Ilia Brusch!« antwortete die Versammlung mit Donnergetöse, dem unmittelbar ein tiefes Schweigen folgte, da es, infolge eines bedauernswerten Versehens der Natur, menschlichen Wesen nicht möglich ist, gleichzeitig zu rufen und zu trinken.
    Das Stillschweigen dauerte jedoch nicht lange. Der funkelnde Wein hatte den erschlafften Kehlen bald neue Kraft verliehen, noch unzählige Gesundheiten auszubringen bis zu dem

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