Der Piratenfuerst
Undine und ihrer Landungsstelle am Strand zu schätzen.
»Muß blind gewesen sein, Sir«, rief einer der Wachtposten verängstigt – und mehr als das.
Doch Bolitho starrte an ihm vorbei und versuchte, nachzudenken. »Dann nehmt jetzt das Glas und sucht so lange, bis ihr es seht!«
Selbstverständlich hatte der Mann mehr Angst vor seinem Kommandanten oder einer Strafe wegen Nachlässigkeit als davor, was diese Entdeckung bedeuten konnte. Die Gedankengänge waren Bolitho durchaus klar. »Hast du es gefunden?«
»Aye, Sir«, nickte der Mann eifrig, aber unglücklich. »Is'n Mast, ganz klar.«
»Na also«, sagte Bolitho trocken. »Dann behalte ihn gefälligst im Auge, damit er nicht wieder verschwindet.«
Penn ließ die Feldflasche sinken und trabte hinter Bolitho her, der schon mit großen Schritten bergab ging. »Was kann das zu bedeuten haben, Sir?« stotterte er.
»Verschiedenes.« Bolitho spürte jetzt unter den ragenden Bäumen etwas Erleichterung nach der brennenden Sonnenglut.
»Vielleicht haben sie uns gesichtet und halten sich versteckt, bis wir Anker lichten. Vielleicht führen sie auch irgend etwas gegen uns im Schilde – ich weiß es nicht.«
Ungeachtet der Ranken und Dornen, die an ihm rissen und zerrten, schritt er schneller aus. Wäre nicht diese kleine Irritation im Blickfeld der Linse gewesen, hätte er nichts gesehen, nichts gewußt von dem fremden Schiff. Vielleicht wäre das sogar besser gewesen; vielleicht machte er sich unnötig Sorgen.
Er fand Davy, wie er ihn verlassen hatte: gelangweilt überwachte er das Füllen der Wasserfässer.
»Wo ist Mr. Fowlar?«
Mit einem Ruck fuhr Davy aus seinem Dösen hoch. »Äh – am Strand, Sir.«
»Verdammt!« Also noch eine gute Meile, bis er sich Fowlars Karte und Mudges Notizen ansehen konnte. Er warf einen Blick zum Himmel: noch Stunden bis zum Sonnenuntergang, der dann aber sehr rasch kommen und das Licht wie ein Vorhang auslöschen würde. »Ich habe ein Schiff gesichtet, Mr. Davy. Gut versteckt, im Süden von uns.« Eben kam der Zimmermann aus dem Unterholz, die blinkende Säge in der Faust.
»Übernehmen Sie hier die Aufsicht, Mr. Pryke.« Er winkte Davy. »Wir gehen zum Strand.«
Pryke nickte, sein feistes Gesicht glühte wie ein reifer Apfel.
»Aye, Sir.« Prüfend blickte er zu Duff hinüber. »Nur noch fünf Fässer, meiner Rechnung nach.«
»Schön. Treiben Sie die Leute zur Eile. Und lassen Sie sie am Strand antreten, sobald das letzte Faß voll ist.«
Eilig schritt Davy an Bolithos Seite dahin. Man sah seinem gutgeschnittenen Gesicht an, daß er tief betroffen war.
»Halten Sie es für ein feindliches Schiff, Sir?«
»Eben das müssen wir herausfinden.«
Stumm schritten sie weiter; Bolitho wußte recht gut, daß Davy genau wie oben der Posten der Ansicht war, er mache zuviel Aufhebens von der Sache.
Unten am Strand hörte Fowlar gelassen zu und studierte dann seine Karte. »Wenn es dort liegt, wo ich annehme, dann ist die Stelle hier nicht eingezeichnet. Irgendwo zwischen diesem Strand und der nächsten Bucht.« Er machte ein Kreuz. »Hier ungefähr, möchte ich sagen, Sir.«
»Können wir vor Dunkelheit dort sein – über Land?«
Fowlar machte große Augen. »Es sieht ziemlich nahe aus, Sir.
Nicht mehr als drei Meilen entfernt. Aber im Dschungel bedeutet es das Vierfache.« Unter Bolithos festem Blick schlug er die Augen nieder. »Sie könnten es schaffen, Sir.«
»Und wenn wir bis morgen warten, Sir?« warf Davy ein.
»Wir könnten dann mit der Undine näher an dieses Schiff heran.«
»Das würde zu lange dauern. Vielleicht lichten sie noch in der Nacht Anker und sind morgen früh weg. Und wenn sie über unsere Anwesenheit und unser Vorhaben informiert sind, wäre ein Bootsangriff bei Tage und in einem so schmalen Gewässer sinnlos. Das sollte Ihnen eigentlich klar sein, Mr. Davy.«
Davy blickte auf seine Schuhe nieder. »Jawohl, Sir.«
Eben schleiften die Männer keuchend ein weiteres Faß zum Boot hinunter. Soames, der durch den tiefen Sand herbeigestapft war, um zuzuhören, sagte unvermittelt: »Das kann ein Sklavenschiff sein. Und dann ist es bestimmt gut bewaffnet.« Er rieb sich das Kinn und nickte. »Ihr Plan ist gut, Sir. Wir könnten am Fuß des Berges vorrücken, wo er bis an die See heranreicht, und uns dann südwärts halten.« Mit einem verächtlichen Blick auf Davy setzte er hinzu: »Ich suche mir gute Männer dazu aus, die nicht gleich schlapp machen, wenn es mal ein bißchen rauh wird.«
Davy
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