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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Augen. Darüber leuchteten die Skalen einer Reihe von Meßinstrumenten. Der Zeiger des Geschwindigkeitsmessers rückte nach rechts. Mit jeder Sekunde erklang das Lied der Motoren mächtiger. Trotz ihres immer höher werdenden Singens war nicht das geringste Vibrieren spürbar. Die Konstruktionsteile und die Hülle der Rakete verharrten in absoluter Trägheit. Nur die Zeiger der Meßinstrumente krochen, alle in der gleichen Richtung, langsam über die grünen Ziffern, und der hohe Ton der Motoren schwoll weiter an, bis er schließlich den ganzen Raum der Zentrale und uns Menschen durchflutete, durchtränkte, als ob er aus jedem Metallteilchen dränge.
    Achtzehn Minuten nach zwölf hatten wir bereits eine Geschwindigkeit von rund hundert Kilometern pro Sekunde, das heißt von dreihundertsechzigtausend Kilometern pro Stunde erreicht. Die Sterne blieben noch immer unbeweglich; aber die Scheibe der Venus, auf die der Bug der Rakete zuhielt, wuchs. Zuerst war sie ein silberglänzender, opalisierender Diskus in der Größe des Mondes. Nach einer Weile sah ich bereits ihre Wölbung. Wie eine weiße Kugel, die aufgeblasen wird, nahm sie einen immer größeren Raum ein. Nur ein schmaler, dunkler Rand trennte sie vom Rahmen des Leuchtschirmes – noch eine Minute – und sie füllte ihn aus. Gleichmäßig rückten die Zeiger des Radarentfernungsmessers vor. Während andere Planeten, wie Erde und Mond, ihr Aussehen im Maße unserer Entfernung oder Annäherung wechselte und dauernd neue Einzelheiten oder Veränderungen ihrer Oberfläche zeigten, schimmerte die Venus noch immer im gleichen matten Licht wie eine unwirkliche, rätselhafte, milchige Kugel.
    Der Flug mit Höchstgeschwindigkeit dauerte eine knappe Stunde. Auf dem Leuchtschirm war der Himmel längst verschwunden. Nur noch eine alles umfassende, unbegrenzte weiße Masse, die hier und da in silbrige und cremefarbene Streifen überging, füllte ihn aus. Plötzlich hatte ich das Gefühl, daß sich die Rakete überschlage. Ich schloß die Augen. Als ich sie wieder öffnete, sah ich, wie Soltyk am Prädiktor herumschaltete. Das Schwindelgefühl verging. Der „Kosmokrator“ hörte auf, um seine Achse zu rotieren. Gleichzeitig verstummten die Motoren. Die Stille, die eintrat, rauschte in den Ohren, ließ mich die eigenen langsamen Herzschläge vernehmen. Mit einem Hebeldruck schob Soltyk seinen Sessel dicht vor den Hauptleuchtschirm des Televisors.
    „Geben Sie mir, bitte, alle zehn Sekunden die Höhe an“, wandte er sich an mich. Ich nickte. Soltyk legte beide Hände auf die Steuerhebel und beugte sich weit vor, als wollte er in den Leuchtschirm springen.
    „Neunzehntausend Kilometer“, sagte ich. Neunzehntausend Kilometer lagen noch zwischen uns und dem Planeten. Wie ein unendlicher, flimmernder Ozean schwammen Wolken unter uns. Stellenweise blendeten sie uns durch das hellfunkelnde zurückgeworfene Sonnenlicht, dann wieder bildeten sie tiefe Klüfte und quirlende Abgründe. Der „Kosmokrator“ flog um den Planeten wie ein Stein, der an einem langen Strick festgebunden ist. Die wachsende Zentrifugalkraft drückte uns in die Polsterung der Sessel, deren leises Knarren deutlich zu hören war.
    „Siebzehntausend.“ Ich blickte seitwärts auf den Geschwindigkeitsmesser. Wir flogen noch immer sechzig Kilometer pro Sekunde. Wenn die Rakete bei dieser Geschwindigkeit mit der Atmosphäre des Planeten in Berührung kam, so mußte sie unweigerlich explodieren. Ich sah zu Soltyk hinüber. Nach vorn gebeugt, die Hände auf den Steuerhebeln, so verharrte seine dunkle Gestalt regungslos vor der lichterfüllten Scheibe.
    „Sechzehntausenddreihundert.“ Auf einmal drehte sich das Bild unter uns und stand kopf. Ein kurzes Zerren ging durch die Rakete und warf uns nach vorn. Ein violetter Blitz zuckte im Leuchtschirm auf und verlosch.
    „Fünfzehntausendachthundert.“ Wieder ein Ruck, schwächer als der vorherige, aber länger andauernd. Wieder schossen violette Blitze aus dem Bug der Rakete, verzweigten sich zu einem flammenden Spinnennetz, das wir im Bruchteil einer Sekunde durchflogen. Es waren die explodierenden Knallgas-Bremsraketen.
    „Vierzehntausend.“ Donner auf Donner grollte nun von der Spitze her und durchdröhnte das ganze Raumschiff. Dumpfes Krachen, Stöße, Kaskaden von Explosionen, dazwischen immer wieder kurze Stille … Das weiße Wolkenmeer lag schräg unter uns. Leicht abwärts geneigt, raste der „Kosmokrator“ darüber hin.
    Ich begriff, daß wir jetzt,

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