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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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noch geringeren Höhe bedeutete ein Risiko. Wir beschlossen daher zu landen. Auf der Strecke von rund siebentausend Kilometern, die wir bereits überflogen hatten, waren keine Anzeichen einer Tätigkeit vernunftbegabter Wesen zu erkennen. Doch wir waren fest überzeugt, daß sie auf dem Planeten existierten. Nach der Landung würden wir unsere Entdeckungsarbeit beginnen, zunächst allerdings in einem beschränkten Umkreis und mit größter Vorsicht. Ein Venustag entsprach in dieser Gegend sechs Erdentagen, so daß uns genügend Zeit zur Verfügung stand. Oswatitsch steuerte wieder die Niederung an, die wir vorher bemerkt hatten. Der Boden mußte gründlich untersucht und ein möglichst ebener Platz für die Landung gefunden werden. Ich stieg aufs Oberdeck und zog den Skaphander an. Als ich zurückkam, umringten mich die anderen. Ich wollte mich von niemandem verabschieden und begab mich mit Soltyk sofort durch den engen Schacht in die Bugkammer. Dort, auf dem Katapult, ruhte mein Flugzeug, lang, schmal, ein Stahltropfen mit weit nach hinten gebogenen Flügeln. Da die Kabine hermetisch schloß, nahm ich den Helm ab, der das Gesichtsfeld einengte.
    „Sie wissen also Bescheid, nicht wahr?“ fragte Soltyk.
    Ich drückte ihm kräftig die Hand, schwang mich auf die Tragfläche und befand mich mit einem Sprung in der Kabine. Den Helm legte ich unter den Sitz, um ihn jederzeit bei der Hand zu haben. Ich knipste das Licht an, schaltete die Meßgeräte ein und überprüfte noch einmal die Ventile der Sauerstoffapparate. Dann blickte ich auf den Ingenieur. Er war erregt, bemühte sich jedoch, es nicht zu zeigen.
    „Gleich schießen wir Sie ab“, sagte er. „Aber ich glaube, es ist besser, wenn wir noch einmal die Verbindung überprüfen.“
    Ich lächelte nur. Soltyk hatte schon an die hundertmal die Verbindung überprüft – zum letzenmal an diesem Morgen. Er ging hinaus. Ich schlug die durchsichtige Haube über meinem Kopf zu, zog die Schrauben der Dichtung an und stemmte mich mit den Füßen gegen die Steuerung. Der Sekundenzeiger eilte über das leuchtende Zifferblatt. Da – ein Knacken in den Kopfhörern und gleich darauf Soltyks Stimme: „Hallo! Hören Sie mich?“
    „Ausgezeichnet. “
    „Wir sind jetzt auf neuntausend Meter, Geschwindigkeit neunhundertsechzig. Alles in Ordnung?“
    „Jawohl.“
    „Dann können Sie den Motor einschalten. Kontakt?“
    Ja.“
    Ich drückte auf den Knopf der Zündung. In dem hellgrünen Halbdunkel, das mich umgab, flammte ein rotes Licht auf.
    „Fertig, Pilot?“
    „Fertig.“
    „Achtung!“
    Mit ohrenbetäubendem Krachen sprangen die Bugplatten auf, und ich sauste wie aus einem Geschützrohr durch die glühenden Auspuffgase. Ein Strom von Licht schoß mir entgegen. Instinktiv, wie ein Schwimmer, der mit dem Strudel kämpft, glich ich die Steuerausschläge aus. In dem Licht, das von allen Seiten durch die gewölbten Scheiben fiel, flog ich kopfüber wie eine Fliege in einem Tropfen hellen, klaren Bernstein gegen die durcheinander wirbelnden Nebel und Wolken. Das Heulen der zerreißenden Luft bohrte sich in die Ohren. Mir war, als müßte die Kabine unter dem Luftdruck zersplittern. Die Anfangsgeschwindigkeit, die mir der Katapult gegeben hatte, verringerte sich rasch. Bald flog die Maschine aus eigener Kraft. Ich starrte in den grauen Nebel, der an den Seiten vorbeiraste. Auf einmal klärte sich die Luft über mir, als hätte jemand ein gläsernes Messer hineingejagt. Bläuliches Licht umsäumte die Wolken mit grellen Rändern, ein Rauschen und Pfeifen ertönte – dann stürzten wahre Fluten von Wasser herab. Ich erkannte sofort, daß der „Kosmokrator“ dicht über mir flog und die Erscheinung durch die ausströmenden Atomgase hervorgerufen wurde. Ich trat ins Seitenruder, um die Maschine schleunigst aus dieser gefährlichen Nachbarschaft zu bringen. Ein voller Rückstoß der Gase aus der Nähe hätte genügt, um ihr die Tragflächen abzureißen.
    „Hallo, wie fühlen Sie sich, Pilot? Fliegen Sie?“ kam eine Stimme aus den Hörern. Ich bejahte und gab meinen Kurs nach dem Girokompaß an. „Wir werden kreuzen. Sie können tiefer gehen.“
    Durch die Scheiben sah ich nichts als wallende Nebel. Dafür glitten in dem kleinen, runden Leuchtschirm des Bordradargerätes ununterbrochen die Umrisse des unter mir liegenden Geländes vorüber. Mit einer langsamen, schon tausendmal ausgeführten Bewegung stellte ich die Maschine auf die Fläche und begann wie ein Stein zu fallen.

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