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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Steht nicht gerade in diesem Augenblick ein Mädchen im Garten und schaut in den Himmel, dorthin, wo die weiße Venus schimmert?“
    Ich schwieg, und er faßte es als Verneinung auf. Er hob den Kopf. Langsam schwand sein Lachen. Ich folgte seinem Blick, der auf die Erde wanderte. Auf dem dunklen Leuchtschirm funkelte sie uns entgegen; sie war zu unserem Stern geworden.
    „Heute, Pilot! – aber morgen? Das können Sie noch nicht wissen. Unter den Milliarden Menschen, die da arbeiten, Erfindungen machen, Häuser und künstliche Atomsonnen bauen, die sich vergnügen, sorgen und freuen, unter all den unzähligen Wesen ist und lebt auch für mich eine. Eine, Pilot! Verstehen Sie? Eine.
Der Flug in die Wolken
    Dreißigster Tag unserer Reise. – Gestern umflogen wir den Asteroid Adonis in der Nähe des Punktes, in dem seine Bahn die der Venus schneidet. Nun arbeiten die Motoren wieder. Wir verfolgen die Venus, die sich als feine, weiße Sichel vom Himmel abhebt.
    Im Gegensatz zu den Wissenschaftlern habe ich in meinen dienstfreien Stunden nichts zu tun. In einem Anfall verzweifelter Langweile nahm ich heute den Motor des Hubschraubers auseinander, reinigte seine ohnedies sauberen, glänzenden Teile und setzte sie wieder zusammen. Ich bemühte mich, für diese Beschäftigung soviel Zeit wie möglich aufzuwenden. Ich habe bereits alle Bücher über Astronomie, die in meinem Koffer liegen, gelesen, habe auch das leider sehr dürftige Material, das die Atmosphäre des Planeten betrifft, durchstudiert; denn im Luftraum der Venus muß ich das Flugzeug steuern. Neu war für mich dabei nur die Tatsache, daß man durch die stärkeren Teleskope von Zeit zu Zeit ein „Fenster“ in den Wolken beobachten kann. Es war also möglich, manchmal ein Stück wolkenlosen Himmels von der Venus zu sehen. Das beruhigte mich etwas; denn bereits jetzt, zu Beginn der fünften Woche unseres Fluges, fing ich an, mich nach dem blauen Himmel der Erde zu sehnen.
    Nachmittags saß ich mit Oswatitsch in der Zentrale. Ein guter Kerl ist er, aber ein Brummbär wie selten einer. Er sagt nicht einmal ja oder nein, sondern schüttelt nur den Kopf oder nickt. Er gab mir eine Fotografie der Venus mit dem sogenannten „großen Fleck“, ganz am Rande der Scheibe, den wir gestern entdeckt hatten. Es war bei dem Mangel an Ereignissen für mich eine richtige Sensation gewesen; aber sie konnte die Eintönigkeit nur für wenige Stunden unterbrechen.
    Ich betrachtete noch einmal diesen rätselhaften Fleck der auf dem Bild nicht größer war als ein gedruckter Punkt, und trat dann auf den Gang hinaus. Dort begegnete ich Soltyk. Ich wollte ihn nach unserer Einteilung in Erdentage und -nächte fragen, die wir bis jetzt beibehalten hatten, und ob nicht für uns nach der Landung die Venuszeit maßgebend sei. Ich vergaß es aber, als er mir mitteilte, daß ab morgen die Fluggeschwindigkeit der Rakete bedeutend erhöht werden würde.
    Auf der Strecke von einer halben Million Kilometer, die uns noch von unserem Ziel trennt, soll ein Probeflug mit Höchstgeschwindigkeit stattfinden, was uns fast vier Reisetage erspart. Ich freue mich sehr darüber. Die beiden Navigatoren haben zwar nach dem Abendessen allerlei schwerwiegende technische Gründe angeführt, die sie zu diesem Vorhaben veranlassen; aber ich kann den Gedanken nicht loswerden, daß sie, genau wie wir alle, nichts sehnlicher wünschen, als die schon unerträglich gewordene Zeit der Erwartung abzukürzen.
    Einunddreißigster Tag. Vom frühen Morgen an waren wir mit fieberhaften Vorbereitungen beschäftigt. Die Befestigung aller Gegenstände in den Kabinen und der Vorräte in den Laderäumen mußte geprüft, der Zustand der Geräte kontrolliert und das Raupenfahrgestell, das sich hinter großen Luken im Unterdeck verbarg, nachgesehen werden. Die Arbeiten gingen nach einem schon längst vorbereiteten Plan vor sich. Ich vergrub mich in der Kammer am Bug des „Kosmokrators“ bei meinem Flugzeug und vergaß dabei sogar, um elf zu den Radionachrichten zu kommen. Als ich endlich in die Zentrale trat, lagen die anderen bereits in den Sesseln. Ich legte mich ebenfalls hin und schnallte mich fest. Soltyk wartete noch einige Minuten. Dann aber, Punkt zwölf, schaltete er die Vorrichtung ein, die die Kadmiumblenden aus der Atomsäule herauszog. Das Motorengeräusch, das bis jetzt kaum vernehmbar gewesen war, wurde stärker. Ich hatte den großen Leuchtschirm des Fernsehgerätes mit der weißen Scheibe der Venus vor meinen

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