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Der Preis des Lebens

Der Preis des Lebens

Titel: Der Preis des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Endres
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DeRáuls Leiden wenigstens rasch beendete. Sprach der Foliant die Wahrheit? Oder würde DeRául doch noch vor Nugals Augen zu Staub zerfallen, wenn die Zeit sich daran erinnerte, was ihr der Vampir schuldete?
Irgendwann beruhigte sich DeRáuls Körper schließlich langsam, und das gespenstische Flackern der Kerze normalisierte sich ebenfalls. Ihr einstmals jungfräulich weißes Wachs war nun allerdings so schwarz wie das Gefieder des ausgestopften Raben, der auf einem Schrank über der unheimlichen Szene in der Werkstatt thronte.
Nugal wölbte eine buschige Augenbraue in Richtung seiner glänzenden, vom Alter zerfurchten Stirn. Sollte es das gewesen sein?
Er musterte DeRáuls ausgestreckten Körper.
Das ohnehin schon blasse Gesicht des Vampirs sah noch ungesünder aus als sonst, kalkweiß und von Schweiß überzogen. DeRáuls Brust hob und senkte sich heftig, als wäre jeder seiner unregelmäßigen Atemzüge ein Kampf.
Aber er lebte.
Und als hätte das zurückgekehrte Leben in ihm nur darauf gewartet, dass es jemand dadurch bestätigte, indem er es zur Kenntnis nahm, flackerten plötzlich DeRáuls Augenlider.
Nugal eilte an DeRáuls Seite, ritzte mit dem Silberdolch ein krakeliges Runensymbol in das Wachs der nunmehr schwarzen Kerze und pustete ihre Flamme schnell aus, um getreu der Anweisungen auf dem alten Folianten das Ritual zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen – um die unerwünschten Teile, die dunkle Essenz von DeRáuls unheiliger Natur in der präparierten Kerze zu bannen, wie der Text versprach.
»Ihr lebt« , flüsterte Nugal danach mit belegter Stimme.
»Ja«, krächzte DeRául leise und schloss wieder die Augen. Trotz allem sah er zufrieden, ja glücklich aus. »Ich lebe .«
Bei der Betonung des letzten Wortes kroch Nugal ein Schauer über den Rücken. Er spürte, wie er eine Gänsehaut bekam.
Seine nächsten Worte erstarben dem Zauberer jedoch auf den Lippen, als hinter ihm etwas gegen die Tür zur Werkstatt krachte. Nugal fuhr erschrocken herum – und blickte direkt auf das Blatt einer Axt, das mehr als fünf Zoll aus den Bohlen ragte. DeRául versuchte sofort, sich in eine aufrechte Position zu wuchten, verzog aber lediglich in stummer Qual das Gesicht und sank stöhnend zurück auf die Pritsche.
»Tut etwas!«, knurrte er durch zusammengebissene Zähne.
Nugal wusste nicht, ob er den Eindringling oder seine Schmerzen meinte. So oder so konnte er DeRául nicht helfen.
»Ich kann nicht«, erklärte der alte Magier schlicht.
»Ihr ... seid ... ein Zauberer« , presste der von den Strapazen des Rituals gemarterte Vampir schleppend hervor. »Das ist Euer Heim. Be– wargh! ... Beschützt es!«
»Das Ritual hat mich erschöpft .« Damit log Nugal nicht einmal. »Mir sind die Hände gebunden, mein Freund.«
DeRául schaffte es beim dritten Versuch, sich in eine halbwegs aufrechte Position zu wuchten, und kam kurz darauf sogar unsicher auf die Füße. Nugal eilte pflichtbewusst an seine Seite und stützte ihn. Zumindest das konnte er tun.
Beide sahen gebannt zur Tür, die mit einer schnellen Folge weiterer Axthiebe bearbeitet wurde und letztlich so weit in Mitleidenschaft gezogen war, dass ein Mann sich zwischen den zerschlagenen Brettern hindurch zwängen konnte.
Nugal spürte, wie DeRáuls Körper zu beben begann, ehe der Vampir sich stöhnend von ihm löste und unsicher nach seinem Rapier griff, dessen Scheide am Fuß des Schreibpults lehnte.
Ein Jagam! , dachte Nugal derweil entsetzt, da auch er die schwarze Halbrüstung mit der dornigen Schulterpanzerung erkannte. Er entfernte sich eiligst von DeRáuls Seite, als der Vampir mit einer ungelenken Geste sein Rapier zog und sich dem Jagam schwankend entgegenstellte ...
*
    Visco erkannte den Jäger sofort. Sowohl das fahlnarbige Gesicht, als auch das streng zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammengebundene graue Haar waren unverkennbar.
»Jagam«, flüsterte der geläuterte Vampir müde.
Nachtjäger. Jagam, wie sie sich selbst nannten. Halb Inquisition, halb Söldnertruppe der Heiligen Mutter Kirche. Der starke Arm des Einen auf dieser Welt.
Visco hatte sich nie vor den Jagam gefürchtet. Sie waren einfach da, so wie die Hirten und ihre Hunde stets für den einsamen Wolf präsent waren, der seine Kreise um die Schafsherde zog. Dennoch hatte auch Visco schon das eine oder andere Mal als Teil einer anonymen Menge dabei zugesehen, wie seinesgleichen von den Jagam öffentlich hingerichtet und anschließend verbrannt worden war.
Visco wusste, dass er in

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