Der Preis -Thriller (German Edition)
weißt Du“, entgegnete Nolde mit einer gewissen Schärfe im Ton.
Vier weitere Tage vergingen, ohne dass sich im Fall Fanu irgendeine neue Entwicklung ergab.
Immerhin schien Nolde eingesehen zu haben, dass es zu gefährlich sei, Milena darauf hinzuweisen, dass man sie tatsächlich beobachtete.
Allerdings hatte er zugleich auch drei weiterte Mitarbeiter zu Milenas Observationsteam beordert. Jeder von ihnen war nicht nur ein exzellenter Observant, sondern darüber hinaus auch als Bodyguard geschult , und Nolde bestand zusätzlich darauf, dass alle im Team bewaffnet waren.
5 . Auteuil / Juli 2009
In den ersten Tagen nach ihrer Entführung brachte Milena ganze Nächte damit zu im Internet die Folgen von Traumata zu recherchieren.
All die Brutalität, jene offenbar nur allzu oft völlig sinn- und zwecklose Gewalt, die aus den Fallgeschichten hervorschimmerte, auf die sie während ihrer Recherchen stieß, erschien ihr zuweilen so entsetzlich, dass sie sich nur mit großer Mühe dazu zwingen konnte weiter zu machen. Milena meldete sich in dutzenden einschlägigen Foren an, las aberhunderte Webseiten und konnte doch nich t genug davon bekommen. E ine Art Sucht.
Einesteils kam sie sich im Angesicht der expliziten Beschreibungen und brutalen Bilder, die sie im Internet fand, mehr und mehr wie eine Voyeurin vor, andererseits konnte sie trotzdem nicht genug davon bekommen. Und zwar selbst auf die Gefahr hin, mit all der Gewalt, den Exzessen, Massakern und Folterungen ihr Hirn zu kontaminieren, wie man eine Müllkippe kontaminierte, die bislang nur für harmlosen Hausmüll genutzt worden war, aber nunmehr plötzlich mit toxischen Chemieabfällen überfrachtet wurde.
Irgendwann wagte sie sich einzugestehen, was der Auslöser dieser seltsamen Sucht nach immer mehr Berichten und Fallbeispielen darstellte: Es war auf eine verdrehte Art und Weise tröstlich zu wissen, dass da noch andere existierten, denen aus heiterem Himmel ganz Ähnliches zugestoßen war.
Seit ihrer Entführung litt Milena an Migräne und unerklärlichen Glieder-, Bauch- und Brustschmerzen. Zunächst hatte sie die Schmerzen noch zu ignorieren versucht. Doch hatte dies paradoxerweise nur dazu geführt, dass die stärker geworden waren. Sie hatte einen Tag Urlaub genommen und sich gründlich von einem Arzt untersuchen lassen. Der jedoch keinerlei physische Ursache für ihre Schmerzen finden konnte, ihr aber immerhin ein Rezept für irgendein Schmerzmittel ausstellte.
Milena hatte zudem den Eindruck die Welt mit anderen Augen zu sehen. Sie meinte, dass sich seither plötzlich irgendwelche Vorhänge geöffnet hätten, von deren Existenz sie früher ni e etwas ahnte. Was sich hinter diesen unvermittelt geöffneten Vorhängen zeigte war eine Welt, die wesentlich dunkler, gefährlicher und instabiler war , als diejenige, in der Milena zuvor gelebt hatte.
Milena hatte sich nicht nach diesem Blick hinter die Kulissen gesehnt. Wäre ihr eine Wahl gelassen worden, so hätte sie darauf bestanden in jene andere, hellere und sicherere Welt zurückzukehren, wie sie sie aus der Zeit vor der schalldichten Zelle, der Kamera und den Spiegeln kannte.
Sicher, sie hatte auch früher TV-Nachrichten gesehen, einen Blick in die Zeitungen geworfen , und ab und an auch Bücher gelesen, in denen von mehr erzählt wurde , als davon, wie genau irgendeine Mademoiselle Danielle zu ihrem Traumprinzen Monsieur Pierre fand. Trotzdem war dieses Dunkle, Böse, das sie jetzt plötzlich überall zu sehen glaubte, seinerzeit seltsam bl ass und verschwommen geblieben.
Jetzt fragte sie sich, weshalb ihr nicht viel früher bewusst geworden war, dass sich jene düsteren Orte voll Brutalität, Hass, Vergessen und Folter eben nicht nur in weit entfernten exotischen Ländern und fremden Städten fanden, sondern genauso gut auch hier in Paris – diesem Herzen und Hafen der Zivilisation. Man brauchte nicht einmal wirklich danach zu suchen. Denn für jeden, der sie wahrzunehmen vermochte , lagen jen e Orte offen zutage.
Gewalt, Verachtung, Terror, Angst und Tortur wirkten so fest in den bunten Teppich des Lebens der Stadt eingewoben, dass sie untrennbar damit verbunden waren. Wahrscheinlich war das auch immer schon so gewesen. Nur hatte Milena es eben genauso ignoriert, wie alle anderen Mitglieder ihrer Gesellschaftsklasse.
Da waren die Opfer der jugendlichen Schlägerbanden.
Da waren die Süchtigen, denen man statt Hilfe , nur noch einen weiteren Tritt in die Weichteile
Weitere Kostenlose Bücher