Der Preis -Thriller (German Edition)
regelrecht zerstreut. Öfter als ihm lieb war ertappte Hammer Nolde dabei, wie er in Tagträumen versunken aus dem Bürofenster in den Pariser Himmel starrte.
Von Milenas Observationsteam erhielten sie Tag für Tag dieselbe Auskunft: Keine besonderen Vorkommnisse.
Milena ging morgens zur Arbeit und kehrte gegen Abend wieder in ihre Wohnung zurück, wo sie sich dann einschloss , bis es Zeit war , am nächsten Morgen wieder ins Büro zu fahren.
Wenn es in den vergangenen paar Tagen überhaupt irgendetwas Bemerkenswertes über sie zu berichten gegeben hatte dann, dass sie die Schlösser an ihrer Wohnungstür hatte austauschen und verstärken lassen. Aber das war nun nichts, was Hammer oder Nolde verwunderte. Und a uch, dass Milena nie das Licht in ihrer Wohnung verlöschen ließ, passte für die beiden Männer ins Muster.
Die detailliertere Überprüfung Milenas, die Nolde gleich am Montagmorgen anordnete, brachte keine neuen Erkenntnisse. Sondern bestätigte einmal mehr, dass Milena Fanu tatsächlich die war, die sie zu sein behauptete. Außerdem hatte weder die diskrete Befragung ihrer Nachbarn irgend eine neue Erkenntnis ergeben, noch fand sich irgendein Eintrag in den Polizeiakten über sie. Dass kein Mensch sie gesehen haben wollte, während sie angeblich in den Händen ihrer Kidnapper gewesen war, besagte auch nicht viel. Diese Zeitspanne fiel mit dem Nationalfeiertag zusammen, an dem ganz Paris zu einer einzigen unübersichtlichen Party mutierte. Einige Zeit hatte Nolde darauf gesetzt , herauszufinden woher Milenas Kidnapper jene se hr spezielle Droge bezogen , die sich laut den Laborwerten in ihrem Blut befunden hatte . Aber auch diese Spur endete zunächst im Nichts, da der zuständige Beamte im Gesundheitsministerium behauptete, seit Monaten keine Bestellung jener Droge mehr erhalten zu haben. Und Nolde glaubte ihm.
D er Hersteller der Droge, ein kleines Pharmaunternehmen bei Toulon , verweigerte jede Auskunft darüber , wer, außer den wenigen vom Ministerium lizenzierten Käufern, sonst no ch Zugang zu der Droge gehabt hä tte.
Hammer neigte immer mehr dazu, Milenas Entführung wirklich als einen Probelauf für eine zweite – die eigentliche - Entführung zu sehen. Eigentlich erwartete er jederzeit, dass man in den Medien das spurlose Verschwinden irgendeines prominenten Geschäftsmannes oder Politikers verkündete.
Was Nolde über die Motive von Milenas Kidnapping dachte, war jedoch derzeit unmöglich zu sagen. Er sprach nämlich nicht darüber. Weder Hammer noch irgendwem sonst im Büro gegenüber verlor er auch nur ein einziges Wort zu seinen Vermutungen über Motive und Hintergründe des Fall es Milena Fanu.
Nolde war in Bezug auf das andere Geschlecht sowieso seltsam über empfindlich. Er schien partout nicht an irgendeiner Beziehung inter essiert zu sein. Zu Beginn seiner Zusammenarbeit mit Hammer hatte er das Thema gern damit abgetan, dass Sex als Mittel zur Entspannung eindeutig überbewertet sei . Nachdem er damit ausgerechnet bei dem Schürzenjäger Hammer keinen Stich landen konnte, behauptete Nolde schon mal, sein Dienst bei der Sitte hätte ihm die Lust auf Sex und Beziehungen ein für alle Mal verdorben. Das sei so ähnlich , wie bei Konditoren oder Fleischern – sah man beim Backen, Schlachten oder Wurstmachen zu lange und intensiv hinter die Kulissen, verging einem der Appetit auf Kuchen, Fleisch und Wurst. Schließlich lasen Polizisten und Detektive auch nur ausgesprochen selten Kriminalromane. Sie wussten einfach zu gut über die triste und brutale Realität Bescheid, um noch Gefallen an der Fiktion finden zu können.
Hammers Frau Marie vermutete, dass Nolde in Milena verliebt sei, ohne das er sich dies eingestehen konnte oder wollte. Womöglich war ja tatsächlich etwas dran, dachte Hammer. Milena war eine attraktive junge Frau und sie steckte entweder wirklich in Schwierigkeiten , oder sie war eine ausgesprochen begabte Lügnerin. So oder so würde sie ziemlich genau in Noldes Beutemuster passen. Denn eines stand für Hammer völlig außer Frage – sein Partner Lenin Albert Nolde, der so gern den abgeklärt- kühle n Hai gab, war in Wahrheit ein Romantiker und Idealist der schlimmsten Sorte. Was die schlimmste Sorte von Romantikern ausmachte? Dass sie irgendwann einmal entweder vom Leben oder der Liebe (wahrscheinlich ja eigentlich von beiden) furchtbar enttäuscht worden waren. Kam dann noch eine Frau in Gefahr daher, drangen die längst begrabenen Gefühle nur umso
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