Der Prinz der Hölle
Hände um sie verkrampft hatte. »Wie viele seid ihr hier?«
»Schwer zu sagen. Ich wurde vergangene Nacht hier hergeschafft. Sie nahmen mich mit einem von Lord Omerons Offizieren gefangen, aber ihn brachten sie nicht hierher.«
»Sadhur?«
»Ja, so hieß er.«
»Gut. Wie viele seid ihr hier?« wandte Sonja sich nun an alle.
Nach dem Stimmendurcheinander, das ihr antwortete, schloss sie auf zumindest zwanzig oder fünfundzwanzig.
Sie kehrte wieder zu dem Jüngling zurück. »Du heißt also Kiros?«
»Ja. Ich bin ein Rebell. Ich möchte für Lord Omeron kämpfen.«
»Mein Name ist Sonja. Ich stamme nicht aus Thesrad, aber Lord Omeron rettete mir das Leben, als ich schwerkrank war, deshalb helfe ich ihm.«
Kiros nickte. »Eine Söldnerin?«
»Ja. Kennst du dich, im Palast aus?«
»Einigermaßen, doch vielleicht nicht so gut wie andere hier. Aber gemeinsam finden wir uns bestimmt zurecht.«
»Gut. Wir müssen ohnehin beisammenbleiben und herausfinden, was vorgeht. Wir müssen uns einen Plan einfallen lassen, wie wir Du-jum überraschen können.«
»Das werden wir! Er ist …«
In diesem Augenblick kehrten die drei mit Blut an ihren Klingen zurück und ließen die Schlüssel an einem Ring klingeln. Wieder riefen alle in den Zellen laut durcheinander.
»Geduld! Geduld!« mahnte Sonja. »Wir holen euch gleich heraus.«
Sie wandte sich an den Mann mit den Schlüsseln. »Irgendwelche Schwierigkeiten?«
»Keinerlei. Es waren vier. Ehe sie uns bemerken konnten, waren sie bereits tot.«
Sonja nickte. Sie begann am Ende des Korridors mit dem Aufschließen, bis alle befreit waren.
Yarises Einladungen zu dem Fest, das am selben Abend im Hauptthronsaal stattfinden sollte, wurden schnell und höflich von allen außer einem der dreiundfünfzig Edlen beantwortet, die sich noch in der Stadt befanden. Der eine, der sie nicht erwiderte, hatte sich am Morgen selbst in sein Schwert gestürzt, wie Yarise erfuhr.
Das ist vermutlich besser für ihn, dachte sie, während sie in ihrem Gemach hin und her ging. Besser, dass er tot und nicht mehr hier war. Sie sollten alle sterben, alle diese hochnäsigen Edlen, die sie immer verachtet hatten. Und bald würden sie tot sein – bald!
Trotzdem verspürte sie ein leichtes Unbehagen. Es verlief nicht alles so, wie sie es gehofft hatte. Du-jum beschäftigte sich nicht mehr soviel mit ihr wie anfangs. Verlor sie ihre Macht über ihn? Hatte sie denn je wirklich welche über ihn besessen? Schmollend schürzte sie die Lippen. Es war ungerecht! Sie hatte Omeron verhöhnt, weil sie sich ein Lob von Du-jum versprochen hatte, aber er hatte sich kaum um sie gekümmert. Schließlich – und das war das Schlimmste – konnte sie dem Hexer nicht damit dienen, was ihm offenbar am wichtigsten war. Sie verstand wenig von alter Zauberei, wusste nichts über die Gänge und Höhlen unter der Stadt, die angeblich zu den Sieben Höllen führten. Sie fragte sich, ob er ihre Gegenwart nun als lästig empfand und nicht mehr als warmes Licht?
Er war auf ihren Vorschlag eingegangen, ein Fest zu veranstalten, aber mit einer anderen Absicht als sie. Zu viele waren bereits gefoltert worden, zu viele Opfer hatte es gegeben. Die verhassten Edlen zu töten, war ganz in ihrem Sinne, aber hatte Du-jum vor, schließlich über eine Totenstadt zu herrschen? Brachte er nach und nach alle in der Stadt um? Sie wollte über eine Stadt voll Leben regieren, der Hexer jedoch schien sie zerstören und ihre Bevölkerung den finsteren Göttern opfern zu wollen, bis er sein Ziel erreicht hatte. Und was war dieses Ziel?
Yarise bekam Angst.
Ihr wurde klar, dass sie allein war. Allein, ohne Omeron, ohne Du-jum, ohne überhaupt irgend jemanden, dem sie trauen konnte. Ganz allein! Und allein musste sie für sich entscheiden, und sie konnte niemandem die Schuld geben, wenn etwas, das sie verursacht hatte, schlimme Folgen zeitigte.
Der Gedanke jagte ihr Angst ein, also schob sie ihn hastig von sich. Nein! Sie würde gemeinsam mit Du-jum herrschen! Sie würden König und Königin auf einem großen Doppelthron sein, der auf gewaltiger Zaubermacht errichtet war. Trotzdem, sie wollte nicht, dass die Welt vernichtet wurde. Sie wollte … Mit einemmal wurde ihr bewusst, was sie wirklich wollte: dass Omeron ein mächtiger Zauberer hätte sein können, mit der Kraft, ihr jeden Wunsch zu erfüllen, während ihre Stadt sich auf magische Weise in einem geschlossenen Kreis bewegte und tat, was Städte eben so tun, damit sie, Yarise, die
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